Fragwürdig ist die aktuelle Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, nach der bei einem einmaligen Verstoß eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten gegen das Trennungsgebot nicht automatisch von der Fahrungeeignetheit ausgegangen werden dürfe. Vielmehr sei die Regelung für den Alkoholkonsum mit in den Blick zu nehmen: Dort ist erst bei einer wiederholten Verkehrsteilnahme unter verkehrsrechtlich relevantem Alkoholeinfluss eine medizinisch-psychologische Untersuchung durch den Normgeber angeordnet (§ 13 S. 1 Nr. 2 lit. b FeV). Daher liege nahe, dass bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten bei der ersten Zuwiderhandlung ein Fahreignungsgutachten im Ermessenswege angeordnet werden könne (§ 14 Abs. 1 S. 3 FeV) und bei einer zweiten Zuwiderhandlung auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV zwingend ein solches Gutachten anzuordnen sei.[64] Mehrere Oberverwaltungsgerichte folgen dieser Rechtsprechung ausdrücklich nicht.[65]
Das Hauptargument des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist die mit der Vierten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften[66] neu geschaffene Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV. Nach dieser Vorschrift ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24a StVG begangen wurden, wobei § 13 Nr. 2 lit. b FeV unberührt bleibt. Die Vorschrift habe – so der BayVGH – sonst keinen Anwendungsbereich, wenn davon nicht der mehrmalige Verstoß eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten gegen das Trennungsgebot erfasst sei. Außerdem habe der Normgeber die Vorschriften hinsichtlich Alkohol- und Cannabiskonsums angleichen wollen.[67] Dem ist nicht zu folgen. Aus der Begründung dieser Vorschrift ist kein Anhalt zu entnehmen, dass hiermit eine einschränkende Auslegung der Regelfallungeeignetheit bei Drogenkonsumenten[68] beabsichtigt wäre. Vielmehr hatte die Neuregelung in erster Linie die Fallkonstellation einer Verkehrszuwiderhandlung unter Alkohol und einer unter Drogen im Blick.[69] Wenn man die Argumentation des VGH München konsequent weiterführen würde, so würde auch die Fahrt unter "harten" Drogen zur Anwendung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV führen. Auch wäre dann fraglich, warum bei einer ersten Fahrt unter Cannabiseinfluss bei gelegentlichem Konsum überhaupt eine medizinisch-psychologische Untersuchung in Erwägung gezogen wird – bei der ersten Alkoholfahrt im Ordnungswidrigkeitenbereich bleibt diese fahrerlaubnisrechtlich folgenlos. Schließlich ist es gerechtfertigt, aufgrund der unterschiedlichen Gefährlichkeit von Alkohol und Drogen diese im Hinblick auf die Auswirkungen für die Kraftfahreignung unterschiedlich zu behandeln.[70]
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