Gelegentlicher Cannabiskonsum allein reicht zur Infragestellung der Fahreignung nicht aus. Vielmehr muss eine sogenannte Zusatztatsache dazukommen. Die häufigste Zusatztatsache ist das sogenannte fehlende Trennungsvermögen, also die Teilnahme am Straßenverkehr, obwohl Cannabis konsumiert wurde. Auch die Frage, wann gegen das Trennungsgebot verstoßen wird, wird vom Gesetz nicht beantwortet. Ein Verstoß liegt dann vor, wenn der Betroffene objektiv unter dem Einfluss einer THC-Konzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit durch negative Auswirkungen des Konsums auf den Betroffenen signifikant erhöht. Für die Frage des Trennungsvermögens kommt es nicht darauf an, ob bei einer konkreten Fahrt drogenbedingte Fahruntüchtigkeit vorlag.[5] Die Rechtsprechung hat folgende Kriterien entwickelt:

OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.7.2003 – 12 ME 287/03, DAR 2003, 480; OVG Koblenz, Beschl. v. 13.1.2004 – 7 A 10206/03.OVG, zfs 2004, 188; VGH Mannheim, Beschl. v. 15.11.2004 – 10 S 2194/04, zfs 2005, 155; OVG Weimar, Beschl. v. 11.5.2004 – 2 EO 190/04, VerkMitt 2004, Nr. 69; OVG Hamburg, Beschl. v. 15.12.2005 – 3 Bs 214/05, NJW 2006, 1367; OVG Schleswig, Beschl. v. 17.2.2009 – 4 LB 61/08; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.6.2009 – OVG 1 S 17.09, NZV 2010, 531; OVG Münster, Beschl. v. 4.1.2012 – 16 A 2075/11, SVR 2012, 314: Bei einem THC-Wert von über 1,0 ng/ml ist ohne weitere Sachverhaltsaufklärung von Fahrungeeignetheit auszugehen.
BayVGH, Beschl. v. 25.1.2006 – 11 CS 05.1711, zfs 2006, 236: Der derzeitige medizinisch-naturwissenschaftliche Erkenntnisstand rechtfertigt es, erst ab einer THC-Konzentration von 2,0 ng/ml im Blut eines Kraftfahrzeugführers eine Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit als derart gesichert im Sinn des § 11 Abs. 7 FeV anzusehen, dass dem Betroffenen ohne weitere Sachverhaltsaufklärung die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen ist. Aus den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lässt sich keine hinreichende wissenschaftlich fundierte Überzeugung für den niedrigeren Grenzwert von 1,0 ng/ml gewinnen. Bei gelegentlichem Konsum von Cannabis und Fahren mit einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml ist nach dieser Ansicht vor einer etwaigen Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen.
BVerwG, Urt. v. 23.10.2014 – 3 C 3/13, DAR 2014, 711: Gelegentlicher Konsum von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung liegt dann vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen. Ein gelegentlicher Konsument von Cannabis trennt dann nicht in der gebotenen Weise zwischen diesem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs, wenn er fährt, obwohl eine durch den Drogenkonsum bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen ist. Wird der THC-Gehalt in einer Blutprobe lege artis nach den Richtlinien der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie ermittelt, ist ein "Sicherheitsabschlag" vom gemessenen Wert für unvermeidbare Messungenauigkeiten nicht erforderlich. Die Frage, ab welchem Grenzwert die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit nicht auszuschließen ist, verweist das BVerwG in den Bereich der tatrichterlichen Beweiswürdigung. Die unter den beiden obigen Spiegelstrichen dargestellte Uneinigkeit der Oberverwaltungsgerichte wird damit nicht geklärt.
BayVGH, Beschl. v. 25.1.2006 – 11 CS 05.1711, zfs 2006, 236: Wenn die THC-Konzentration im Blut eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten bei Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr weniger als 1,0 ng/ml beträgt, steht weder die Fahrungeeignetheit fest, noch sind Fahreignungszweifel begründet, so dass ein Fahreignungsgutachten eingeholt werden müsste. Ausschlaggebend hierfür sind in erster Linie Verhältnismäßigkeitserwägungen.
VGH Mannheim, Beschl. v. 10.5.2004 – 10 S 427/04, zfs 2004, 484: Eine für den Fahrerlaubnisinhaber günstigere Bewertung des sog. Passivrauchens von Cannabis gegenüber dem aktiven Eigenkonsum im Hinblick auf die Voraussetzungen der Fahrungeeignetheit nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist zumindest dann nicht gerechtfertigt, wenn sich der Betreffende vor der Autofahrt längere Zeit bewusst in einem Raum mit stark cannabishaltigem Rauch aufgehalten hat.
[5] Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage 2013, § 2 StVG Rn 17g.

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