MB/KK 2009 § 5 Abs. 2

Leitsatz

Die Aufwendungen für ein Hilfsmittel übersteigen das medizinisch notwendige Maß i.S.v. § 5 Abs. 2 S. 1 MB/KK 2009, wenn einerseits das Hilfsmittel zusätzliche, nicht benötigte Funktionen oder Ausstattungsmerkmale aufweist, und andererseits zugleich preiswertere, den notwendigen medizinischen Anforderungen für den jeweiligen VN entsprechende Hilfsmittel ohne diese zusätzlichen Funktionen oder Ausstattungsmerkmale zur Verfügung stehen.

BGH, Urt. v. 22.4.2015 – IV ZR 419/13

Sachverhalt

Die Parteien streiten um den Umfang der Erstattungspflicht der Bekl. aus einer privaten Krankheitskostenversicherung wegen eines Hörgeräts. Die Bekl. vertritt die Rechtsauffassung, dass seine Anschaffung das medizinisch notwendige Maß übersteige, weil es zahlreiche medizinisch nicht notwendige Ausstattungsmerkmale aufweise.

2 Aus den Gründen:

[11] "… 1. Zunächst ist das BG zu Unrecht der Auffassung, dass sich das Leistungskürzungsrecht des VR in § 5 Abs. 2 S. 1 RB/KK 2009 nicht auf Aufwendungen für Hilfsmittel bezieht."

[12] a) AVB sind nach st. Rspr. des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. …

[13] b) Dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 S. 1 RB/KK 2009 kann der VN dabei entnehmen, dass die Leistungseinschränkung für Heilbehandlungen und sonstige Maßnahmen gelten soll.

[14] aa) Als Heilbehandlung ist jegliche ärztliche Tätigkeit anzusehen, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung, Besserung oder auch Linderung der Krankheit abzielt (Senat VersR 1996, 1224 unter II 2; st. Rspr.). Eine solche Heilbehandlung liegt hier nicht vor.

[15] bb) Zur Beantwortung der Frage, was als sonstige “Maßnahme‘ zu verstehen ist, für die Leistungen vereinbart sind, wird der VN sodann § 1 Abs. 1 RB/KK 2009 in den Blick nehmen, weil diese Bestimmung näher regelt, welche Leistungen der VR erbringt. Auch dort findet sich ein ähnliches Begriffspaar, nämlich das von “Aufwendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen‘. Dies verdeutlicht dem verständigen VN, dass der VR alle von ihm im Versicherungsfall geschuldeten, aber nicht unter den Begriff der Heilbehandlung zu subsumierenden Leistungen unter dem einheitlichen Oberbegriff “sonstige Leistungen‘ zusammenfassen will. Nicht anders wird der VN danach schon dem Wortlaut nach den Begriff der “sonstige(n) Maßnahme‘ in § 5 interpretieren. Damit werden Aufwendungen für Hilfsmittel erfasst.

[16] Erst recht erschließt sich dies aus dem auch dem VN erkennbaren Sinn und Zweck der Regelung.

[17] Denn der VN kann als Ziel der Übermaßregelung erkennen, dass der VR sich vor einer unnötigen Kostenbelastung durch aus medizinischer Sicht nicht notwendige “Maßnahmen‘ schützen will (vgl. Senat BGHZ 154, 154 unter II 2 c bb). Dies gilt aber für Hilfsmittel ebenso wie für Heilbehandlungsmaßnahmen. Im Gegenteil besteht die Gefahr einer Überversorgung, der die Regelung erkennbar vorbeugen will, gerade dann, wenn die Auswahl des konkreten Hilfsmittels von einer Willensentscheidung des VN abhängt.

[18] 2. Danach übersteigen die Aufwendungen für ein vom Arzt verordnetes und vom VN erworbenes Hilfsmittel das medizinisch notwendige Maß i.S.v. § 5 Abs. 2 S. 1 RB/KK 2009 dann, wenn einerseits das Hilfsmittel zusätzliche, nicht benötigte Funktionen oder Ausstattungsmerkmale aufweist, und andererseits zugleich preiswertere, den notwendigen medizinischen Anforderungen für den jeweiligen VN entsprechende Hilfsmittel ohne diese zusätzlichen Funktionen oder Ausstattungsmerkmale zur Verfügung stehen.

[19] a) Für Heilbehandlungsmaßnahmen hat der Senat Entsprechendes bereits ausgeführt. Mit Urt. v. 12.3.2003 (BGHZ 154, 154) hat er – zu § 5 MB/KK 76 – klargestellt, dass der VR, der seine Leistungen wegen einer Übermaßbehandlung kürzen will, zu beweisen habe, dass bei einer an sich medizinisch notwendigen Heilbehandlung eine einzelne Behandlungsmaßnahme medizinisch nicht notwendig war (a.a.O. unter II 2 c aa). Übertragen auf Hilfsmittel muss der VR, um sich auf die Leistungseinschränkung berufen zu können, darlegen und beweisen, dass bei einem an sich notwendigen Hilfsmittel bestimmte Funktionen oder Ausstattungsmerkmale medizinisch nicht notwendig sind. Darüber hinaus muss er aber auch darlegen und beweisen, dass ein Hilfsmittel ohne diese Ausstattungsmerkmale oder Funktionen, welches ebenfalls – gemessen an den Bedürfnissen des VN – das medizinisch notwendige Maß erfüllt, zu einem niedrigeren Preis auf dem Markt erhältlich war. Dieser niedrigere Preis, für den ein den medizinischen Notwendigkeiten genügendes Hilfsmittel ohne die nicht benötigten zusätzlichen Ausstattungsmerkmale hätte erworben werden können, stellt dann zugleich den angemessenen Betrag dar, auf den der VR seine Leistung in diesem Falle kürzen kann.

[20] Nicht gefolgt werden kann demgegenüber der Auffassung...

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