Hinweis

In der Bußgeldsache gegen … habe ich unter dem … Akteneinsicht beantragt und insbesondere auch beantragt, mir die Originalbeweisfotos, die gerätespezifische Bedienungsanleitung, eine Kopie der digitalen Falldaten im gerätespezifischen Format nebst dem dazugehörigen öffentlichen Schlüssel, das Auswerteprogramm und die gesamten Messdaten der Messserie zu übersenden. Ebenfalls habe ich beantragt, diese Unterlagen beizuziehen, wenn sie noch nicht Aktenbestandteil geworden sind.

Mit Schreiben vom … hat die Bußgeldbehörde mir mitgeteilt, dass die Bedienungsanleitung aus urheberrechtlichen Gründen nicht überlassen werde, die Messdaten nur einem gerichtlich bestellten Sachverständigen nach Beauftragung durch ein Gericht überlassen werden und der komplette Datensatz wegen datenschutzrechtlicher Probleme nur auf Aufforderung des Gerichts zur Verfügung gestellt wird.

Im Hinblick auf die verwehrte Akteneinsicht beantrage ich die gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG und die Akten an das zuständige Amtsgericht abzugeben.

Der Verteidiger ist zur Vorbereitung einer Einlassung darauf angewiesen, Zugang zu allen Messunterlagen und zu den für die Kontrolle der Messwertbildung erforderlichen Messdaten zu erhalten (vgl. Cierniak, zfs 2012, 664 ff.). Dazu gehört auch der komplette Messdatensatz, da nur durch diesen eine Überprüfung etwaiger gehäufter Fehlmessungen erfolgen kann. Dies entspricht dem Grundsatz der Aktenvollständigkeit, wonach sich stets diejenigen Unterlagen bei den Akten befinden müssen, auf die der Schuldvorwurf gestützt wird (vgl. Meyer-Goßner, § 147 Rn 14 ff.) sowie dem Gebot des fairen Verfahrens (vgl. Cierniak, a.a.O).

 

Erläuterung:

In Bußgeldverfahren gehört der Aufsatz von Cierniak (zfs 2012, 664) zur Pflichtlektüre für eine erfolgreiche Verteidigung. Demnach sind schon von der Bußgeldbehörde alle für die Überprüfung der Messung relevanten Unterlagen und Daten jedenfalls auf Aufforderung dem Verteidiger zur Einsicht zu überlassen und müssen ggf. durch einen Antrag auf Beiziehung Bestandteil der Ermittlungsakten sein. Derartige spezifizierte Anträge des Verteidigers werden regelmäßig mit Verweis auf Urheber- oder Datenschutzrechte vor allem der Herstellerfirmen und weiterer Betroffener nicht beachtet oder zurückgewiesen. Der Anspruch auf Einsicht in den kompletten Messfilm bzw. den kompletten Messdatensatz ergibt sich nach der Ansicht von Cierniak zwar nicht aus § 147 StPO, aber aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens.

Für den Verteidiger gibt § 62 OWiG den Rechtsbehelf des Antrags auf gerichtliche Entscheidung. Die Behörde muss nach verweigerter Akteneinsicht die Akten an das Gericht weiterleiten, das dann unanfechtbar über die Akteneinsicht entscheidet. Gibt das Gericht dem Antrag statt, gehen die Akten zurück an die Behörde. Ein weiterer Vorteil ist eine Verfahrensverzögerung, die unter Umständen auch zu einer Verjährung des Vorwurfs führen kann. Der Eingang der Akten beim Amtsgericht und die Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde führt nur in den Fällen des § 69 Abs. 3 OWiG zu einer Unterbrechung der Verjährung, wobei der Antrag nach § 62 OWiG nicht unter § 69 Abs. 3 OWiG fällt, also ein Unterbrechungstatbestand nicht vorliegt.

Versucht die Behörde dem zu entgehen, indem sie die Akten ohne Verweis auf den Antrag über die Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht abgibt und lädt das Amtsgericht zur Hauptverhandlung, hat der Verteidiger zunächst die Möglichkeit, die Aussetzung der Hauptverhandlung gem. § 145 Abs. 3 StPO wegen fehlender Akteneinsicht zu beantragen. Außerdem kann ein Rückverweisungsantrag gestellt werden. Über den Antrag nach § 62 OWiG ist vorrangig zu entscheiden und dem Verteidiger Akteneinsicht zu gewähren. Der Verteidiger muss genügend Zeit haben, sich mit den Messunterlagen vertraut zu machen und diese gutachterlich prüfen zu lassen.

Kommt es zu einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde kann auch dies entweder in zeitlicher Hinsicht im Hinblick auf die Verjährung genutzt werden oder aber es bieten sich Möglichkeiten zur Verfahrenseinstellung.

Autor: Christian Funk

RA Christian Funk, FA für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht, Saarbrücken

zfs 7/2014, S. 363

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