“Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie hat auch in der Sache teilweise Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) und ist daher abzuändern (§ 513 Abs. 1 ZPO).

1. Die Bekl. hat entgegen der Auffassung des AG eine ihr gegenüber dem Kl. obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB).

a) Die Verkehrssicherungspflicht für Baustellen im öffentlichen Verkehrsraum entspringt der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht desjenigen, der eine Gefahrenstelle für andere eröffnet. Im Rahmen dieser Pflicht sind die Maßnahmen erforderlich, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger der betreffenden Verkehrskreise für notwendig und ausreichend erachten darf, um andere Personen vor Schäden an ihren Rechtsgütern zu bewahren (vgl. BGH, Urt. v. 16.5.2006 – VI ZR 189/05, NJW 2006, 2326; Kammer, Urt. v. 15.4.2011 – 13 S 5/11, jeweils m.w.N.). Die Verkehrssicherungspflicht kann dabei über das durch öffentlich-rechtliche Vorschriften, Maßnahmen und Genehmigungen Geforderte hinausgehen und geht auch dann nicht auf die zuständige Behörde über, wenn diese dem Verkehrssicherungspflichtigen Auflagen zur Sicherung gemacht hat (KG, VRS 118, 329; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn 46 m.w.N.). Der Verkehrssicherungspflichtige hat vielmehr eigenverantwortlich zur Gefahrenabwehr erforderliche Maßnahmen zu ergreifen; auch die Billigung unzureichender Maßnahmen entlastet ihn nicht (vgl. KG a.a.O. m.w.N.; OLG Frankfurt, OLG-Report 1997, 300).

b) Nach diesen Grundsätzen war die Bekl. als ein mit der Durchführung von Tiefbauarbeiten im öffentlichen Verkehrsraum beauftragtes Unternehmen für die Sicherung der durch ihre Arbeiten entstandenen Gefahrenstellen grds. verantwortlich (vgl. nur OLG Hamm, NZV 2002, 506; Palandt/Sprau, a.a.O. Rn 191, 222 m.w.N.).

c) Der Kl. wird auch vom Schutzzweck dieser Sicherungspflicht erfasst.

aa) Richtig ist zwar, dass dem Kl. die Benutzung des Wegs aufgrund des Verkehrsverbots gem. § 41 Abs. 1 StVO i.V.m. Zeichen 250 untersagt war. Das entsprechende Verkehrszeichen war deutlich sichtbar angebracht und galt – wie der Kl. selbst einräumt – auch unmissverständlich für den gesamten Bereich des Wegs.

bb) Allerdings ist anerkannt, dass sich der Umfang der Verkehrssicherungspflicht bei einer Straße grds. nicht aus deren Beschilderung mit Verkehrszeichen entsprechend der Anlage zur Straßenverkehrsordnung ergibt, sondern aus dem Umfang der Widmung (vgl. nur BGH, Urt. v. 15.12.1988 – III ZR 112/87, VersR 1989, 847; Palandt/Sprau, a.a.O. Rn 221, jeweils m.w.N.). Denn die Verkehrssicherungspflichten knüpfen an die tatsächliche Eröffnung des Verkehrs an, so dass im Einzelfall auch gegenüber erkennbar unbefugten Nutzern eines Wegs Verkehrssicherungspflichten bestehen können (vgl. OLG Frankfurt, OLG-Report 2001, 188 m.w.N.). Die Frage, für welche Art Verkehr ein Weg gewidmet ist, beantwortet sich u.a. nach seinem äußeren Befund, nach den äußerlich erkennbaren Merkmalen des Wegs unter Berücksichtigung der örtlich gegebenen Verhältnisse und der allgemeinen Verkehrsauffassung. Lässt das äußere Erscheinungsbild des Wegs bei den Verkehrsteilnehmern unter Anwendung zumutbarer Sorgfalt keinen Zweifel darüber aufkommen, dass die Widmung inhaltlich beschränkt ist, so geht die Pflicht zur Verkehrssicherung über die Abwendung der diesem Verkehr drohenden Gefahren auch dann nicht hinaus, wenn der Weg gelegentlich in einer die Widmung überschreitenden Weise benutzt wird und der Verkehrssicherungspflichtige dies duldet (BGH a.a.O. m.w.N.). Von einer solchen einschränkenden Widmung, die eine Benutzung mit einem Kfz wie dem des Kl. ausschließt, kann hier jedoch nicht ausgegangen werden.

cc) Das äußere Erscheinungsbild des Wegs, wie es sich aus den zur Akte gelangten Lichtbildern ergibt, spricht vielmehr für die Zulassung des Verkehrs mit Kfz. Anders als etwa bei Rad- oder Gehwegen ist der Asphalt hier in einer Breite aufgebracht, die eine Benutzung durch zweispurige Fahrzeuge erkennbar ermöglichen soll. Dass der Weg von seiner Zweckbestimmung auf einen Verkehr mit Kfz ausgelegt ist, ergibt sich auch daraus, dass ein solcher Verkehr aus der Gegenrichtung durch das Zusatzzeichen 1020 (“Anlieger frei') ausdrücklich eröffnet wird. Diese verkehrsrechtliche Anordnung bezieht sich – anders als das AG meint – auch auf den Unfallort. Zum einen enthält die Anordnung keinerlei Beschränkung auf einen bestimmten Bereich des Wegs. Zum anderen soll die Eröffnung des Verkehrs mit Kfz den Anliegern ersichtlich auch die Möglichkeit verschaffen, zu den hinter den Häusern liegenden Grundstücken zu gelangen. Dafür spricht maßgeblich die durchgängig vorgenommene Asphaltierung in der gesamten Breite und auf der gesamten Länge des Wegs. Der Unfall hat sich aber, wie die bei der Akte befindlichen Lichtbilder zeigen, gerade in dem Bereich ereignet, in dem sich Einfahrten zu solchen Grundstücken befinden, die – wie der auf den Bildern abgebildete Fahr...

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