" … [5] B. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. (…)"

[9] II. Das OLG hat die der Berufungsbeklagten durch den Antrag auf Zurückweisung der bereits begründeten Berufung entstandenen Kosten trotz der zuvor erfolgten Berufungsrücknahme zutreffend als erstattungsfähig i.S.v. § 91 ZPO angesehen.

[10] 1. Für die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Bekl. in der Berufungsinstanz ist eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG angefallen, was – letztlich zu Recht – weder das OLG noch die Rechtsbeschwerde in Zweifel ziehen. Die Verfahrensgebühr ist nicht nach Nr. 3201 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG wegen vorzeitiger Beendigung des Auftrags auf 1,1 ermäßigt. Hierfür hätte der Auftrag der Prozessbevollmächtigten der Bekl. endigen müssen, bevor sie ihren den Sachantrag enthaltenden Schriftsatz eingereicht hatte. Das ist jedoch vorliegend nicht der Fall.

[11] a) Der Auftrag konnte in zeitlicher Hinsicht nicht endigen, bevor die Beklagtenvertreterin die Möglichkeit hatte, von der Berufungsrücknahme Kenntnis zu erlangen (vgl. BAG RVGreport 2012, 349 [Hansens] = AGS 2013, 98, 100; Feller, in: Göttlich/Mümmler, RVG, 6. Aufl. "Verfahrensgebühr" Anm. 4.3; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., VV 3101 Rn 12 m.w.N.; Mayer, in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl., Nr. 3101 VV Rn 8). Nach den Feststellungen des OLG war dies der 22. 8. 2016, an dem der Beklagtenvertreterin die Berufungsrücknahme mit dem Kostenbeschluss des OLG zugestellt worden ist. Nicht festgestellt ist hingegen die Uhrzeit dieser Zustellung sowie die Uhrzeit, zu der – ebenfalls am 22.8.2016 – der Schriftsatz der Beklagtenvertreterin bei Gericht eingegangen ist. Mithin ist möglich, dass dieser Eingang zeitlich nach der Zustellung erfolgt ist.

[12] [] b) Das kann hier jedoch dahinstehen. Der Ermäßigungstatbestand in Nr. 3201 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG greift nur ein, wenn der Schriftsatz noch nicht eingereicht i.S.d. Bestimmung gewesen wäre. Für ein solches Einreichen ist es aber ausreichend, wenn der Schriftsatz so auf den Weg gebracht wird, dass sein Zugang ausschließlich von der Tätigkeit Dritter, etwa eines Postbeförderungsunternehmens, abhängig ist (vgl. AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, 8. Aufl., VV 3101 Rn 24; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., VV 3101 Rn 13 f.; Mayer, in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl., RVG Nr. 3101 VV Rn 12; a.A. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., VV 3101 Rn 17; Hartmann, KostG, 47. Aufl., VV 3101 Rn 12; Riedel/Sußbauer/Ahlmann, RVG, 10. Aufl., VV 3101 Rn 10; Hansens, in: Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl., Teil 8 Rn 164; Feller, in: Göttlich/Mümmler, RVG, 6. Aufl., "Verfahrensgebühr" Anm. 4.5; KG JurBüro 1985, 1030, 1031 zu § 32 BRAGO; anders wohl auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 25. 8. 2009 – 6 W 70/08, juris Rn 14).

[13] Allerdings weist der Wortlaut der Norm ("eingereicht (…) hat") eher dahin, dass der Eingang bei Gericht erfolgt sein muss. Denn den zivilprozessualen Vorschriften, die sich – wie etwa §§ 105 Abs. 3 Hs. 1, 128 Abs. 2 S. 2, 130a Abs. 3, 541 Abs. 1 S. 1 oder 566 Abs. 2 S. 1 ZPO – dieses Wortlauts bedienen, liegt ersichtlich dieser Bedeutungsgehalt zugrunde. Der Gesetzgeber wollte mit der Ausnahme zur Regel des § 15 Abs. 4 RVG (vgl. Mayer, in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl., RVG Nr. 3101 VV Rn 1) jedoch solche Fälle nicht erfassen, in denen der Rechtsanwalt mit der Stellung eines Sachantrags besondere Verantwortung und damit auch ein erhöhtes Haftungsrisiko übernimmt (vgl. BT-Drucks 15/1971 S. 211 f.). Ob es tatsächlich zu einer solchen Risikoübernahme gekommen ist, kann aber wegen der erforderlichen Kenntnis des Rechtsanwalts von der Beendigung des Auftrags und der daraus folgenden Möglichkeit, dass die nicht ermäßigte Verfahrensgebühr auch noch nach Verfahrensende verdient werden kann, nicht ausschlaggebend sein. Vielmehr muss es darauf ankommen, ob der Rechtsanwalt alles aus seiner Sicht Notwendige unternommen hat. Mit der Übergabe an ein Postbeförderungsunternehmen ist das zu bejahen, weil ihm dann die Einflussnahme darauf, ob und wann der Schriftsatz bei Gericht eingeht, genommen ist. Sähe man das anders, würde das Vergütungsrisiko des Rechtsanwalts im Ergebnis auch von der Auswahl des gewählten Übermittlungsweges – per Briefpost, Fax oder als elektronisches Dokument – abhängen. Das wäre jedoch weder sachgerecht noch ist erkennbar, dass es vom Gesetzgeber gewollt ist. (…)

[15] c) Der von der Prozessbevollmächtigten der Bekl. am 19.8.2016 gefertigte Schriftsatz wurde per Post an das OLG gesandt. Er muss daher vor dem 22.8.2016 so auf den Weg gebracht worden sein, dass sein Eingang bei Gericht ausschließlich von der Tätigkeit Dritter, nämlich des Postbeförderungsunternehmens, abhing. Mithin erfolgte die Einreichung des Schriftsatzes vor Beendigung des Auftrags durch Kenntnisnahme von der Berufungsrücknahme.

[16] 2. Die 1,6-Verfahrensgebühr ist auch in vollem Umfang erstattungsfähig gem. § 91 Abs. 1 S. 1, A...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge