" … Die Klage ist auch begründet."

Dem Kl. als Bezugsberechtigtem stehen nach Eintritt des Versicherungsfalls – dem Tod der Ehefrau des Kl. als versicherter Person – die Versicherungsleistungen aus beiden Versicherungsverträgen zu.

Entgegen der Ansicht der Bekl. ist weder Leistungsfreiheit gem. § 162 Abs. 1 VVG eingetreten, noch gilt der Kl. gem. § 162 Abs. 2 VVG nicht als Bezugsberechtigter eingesetzt.

a) Ist die Versicherung … für den Fall des Todes eines anderen als des VN genommen, ist der VR nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der VN vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Tod des anderen herbeiführt (§ 162 Abs. 1 VVG). Ist … ein Dritter als Bezugsberechtigter bezeichnet, gilt die Bezeichnung als nicht erfolgt, wenn der Dritte vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung den Tod der versicherten Person herbeiführt (§ 162 Abs. 2 VVG).

Der Schutzzweck dieser Bestimmung geht dahin, den VN oder die sonstige Gefahrsperson gegen eine Lebensgefährdung durch den Bezugsberechtigten zu schützen (vgl. Winter, in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2013, § 162 Rn 16). Sie soll Missbrauch verhindern und ist Ausfluss der für jeden VN geltenden grundlegenden Verpflichtung, den Versicherungsfall nicht vorsätzlich herbeizuführen (vgl. OLG Hamm VersR 1988, 32; Schneider, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 162 Rn 1), deren Verletzung in § 81 Abs. 1 VVG die Leistungsfreiheit des VR nach sich zieht.

aa) Nach herrschender Ansicht, der der Senat sich anschließt, erfolgt die Beurteilung, ob die Herbeiführung des Todes der versicherten Person vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung i.S.d. § 162 VVG geschehen ist, nach zivilrechtlichen Grundsätzen.

Danach ist Vorsatz – als Wissen und Wollen des pflichtwidrigen Erfolgs … – eine der Schuldformen, § 276 Abs. 1 BGB. Da Verschulden Schuldfähigkeit voraussetzt, ordnet § 276 Abs. 1 S. 2 BGB die entsprechende Anwendung des § 827 S. 1 BGB an, wonach derjenige nicht verantwortlich ist, der einem anderen im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einen Schaden zufügt. Auch insoweit kann für § 162 VVG nichts anderes als für § 81 Abs. 1 VVG und den früheren § 61 VVG a.F. gelten: Ist der Täter nicht schuldfähig, handelt er nicht vorsätzlich. …

bb) Die Bekl. beruft sich auf eine in der Literatur vereinzelt vertretene Ansicht, der Vorsatzbegriff in § 162 VVG folge strafrechtlichen Grundsätzen und umfasse deshalb nach der im Strafrecht vorherrschenden sog. eingeschränkten Schuldtheorie … nicht Elemente der Schuld, sondern beziehe sich lediglich auf die sog. objektive Tatbestandsverwirklichung (soweit ersichtlich nur Flore, VersR 1989, 131), so dass es für die Verwirklichung des Ausschlusstatbestandes des § 162 VVG auf die Schuldfähigkeit nicht ankomme.

(1) Sie meint, Entsprechendes der Entscheidung des Senats v. 25.6.2014 – 5 U 83/13, zfs 2015, 161 – entnehmen zu können. Allerdings betraf diese Entscheidung einen in den Versicherungsbedingungen vorgesehenen Leistungsausschluss im Falle vorsätzlich begangener oder versuchter “Straftaten‘ … , während sich der Wortlaut des § 162 VVG – “vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung‘ – an andere zivilrechtliche Bestimmungen wie § 823 BGB und § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB anlehnt (vgl. Schwintowski, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 170 Rn 8). Der Kl. verweist in diesem Zusammenhang vielmehr zu Recht darauf, dass der BGH auch für den – ebenfalls an die vorsätzliche und widerrechtliche Tötung des Erblassers oder den Versuch einer solchen anknüpfenden – Erbunwürdigkeitstatbestand des § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB ausdrücklich festgestellt hat, dass dieser Schuldfähigkeit des Handelnden voraussetzt (vgl. BGHZ 204, 258).

(2) Entgegen der Ansicht der Bekl. ergibt sich Gegenteiliges für den Anwendungsbereich des § 162 VVG auch nicht aus dem systematischen Regelungszusammenhang mit § 161 VVG. Nach dieser Bestimmung ist der VR bei einer Versicherung auf den Todesfall nicht zur Leistung verpflichtet, wenn die versicherte Person sich vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss des Versicherungsvertrags vorsätzlich selbst getötet hat (Abs. 1 S. 1). Dass dort mit Blick auf den Schutzzweck der Bestimmung – die VR sollen davor geschützt werden, dass ein Versicherter auf ihre Kosten mit seinem Leben spekuliert (vgl. BGH VersR 1991, 289 zum früheren § 169 VVG a.F.) – ausdrücklich formuliert ist, dass dies nicht gelten soll, wenn die Tat in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden ist, zwingt nicht dazu, aus dem Fehlen einer solchen Formulierung in der Bestimmung des § 162 VVG zu schließen, dass es dort auf die Schuldfähigkeit nicht ankomme. Dem steht schon die Entstehungsgeschichte der beiden benachbarten Bestimmungen entgegen. … Die Regelung, wonach der VR zur Leistung verpflichtet bleibt, wenn die Tat in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit...

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