EGV 864/2007 Art. 4 Abs. 1

Leitsatz

Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom II") ist für die Bestimmung des auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus einem Verkehrsunfall anzuwendenden Rechts dahin auszulegen, dass Schäden im Zusammenhang mit dem Tod einer Person bei einem solchen Unfall im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnhafte nahe Verwandte dieser Person erlitten haben, als "indirekte Schadensfolgen" dieses Unfalls im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind.

EUGH, 4. Kammer, Urt. v. 10.12.2015 – C 350/14

Sachverhalt

In dem Vorlageverfahren an den EuGH macht der Kl., ein rumänischer Staatsangehöriger, den Ersatz von Vermögensschäden und Nichtvermögensschäden geltend, die darauf beruhen, dass seine Tochter, eine rumänische Staatsangehörige mit regelmäßigem Aufenthalt in Italien, bei einem Verkehrsunfall in Italien ums Leben gekommen ist. Das italienische Tribunal di Trieste hat unter Aussetzung des Verfahrens dem EuGH das Verfahren zur Auslegung der EGV (Rom-II-Verordnung) vorgelegt. Der EuGH bejahte die Geltung der EGV auch für die Haftungsfolgen.

2 Aus den Gründen:

" … Rechtlicher Rahmen"

Unionsrecht

Rom-II-Verordnung

Im siebten Erwägungsgrund der Rom-II-Verordnung heißt es:

“Der materielle Anwendungsbereich und die Bestimmungen dieser Verordnung sollten mit der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [(ABl 2001, L 12, S. 1, im Folgenden: Brüssel-I-Verordnung)] und den Instrumenten, die das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht zum Gegenstand haben, in Einklang stehen.’

Die Erwägungsgründe 16 und 17 der Verordnung lauten:

“(16) Einheitliche Bestimmungen sollten die Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen verbessern und einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Personen, deren Haftung geltend gemacht wird, und Geschädigten gewährleisten. Die Anknüpfung an den Staat, in dem der Schaden selbst eingetreten ist (lex loci damni), schafft einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Person, deren Haftung geltend gemacht wird, und der Person, die geschädigt wurde, und entspricht der modernen Konzeption der zivilrechtlichen Haftung und der Entwicklung der Gefährdungshaftung.

(17) Das anzuwendende Recht sollte das Recht des Staates sein, in dem der Schaden eintritt, und zwar unabhängig von dem Staat oder den Staaten, in dem bzw. denen die indirekten Folgen auftreten könnten. Daher sollte bei Personen- oder Sachschäden der Staat, in dem der Schaden eintritt, der Staat sein, in dem die Verletzung erlitten beziehungsweise die Sache beschädigt wurde.’

Art. 2 (“Außervertragliche Schuldverhältnisse’) der Verordnung bestimmt in Abs. 1:

“Im Sinne dieser Verordnung umfasst der Begriff des Schadens sämtliche Folgen einer unerlaubten Handlung, einer ungerechtfertigten Bereicherung, einer Geschäftsführung ohne Auftrag (“Negotiorum gestio’) oder eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (“Culpa in contrahendo’).’

Art. 4 (“Allgemeine Kollisionsnorm’) in Kapitel II (“Unerlaubte Handlungen’) der Rom-II-Verordnung sieht vor:

“(1) Soweit in dieser Verordnung nichts anderes vorgesehen ist, ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind.

(2) Haben jedoch die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, und die Person, die geschädigt wurde, zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat, so unterliegt die unerlaubte Handlung dem Recht dieses Staates.

(3) Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als dem in den Absätzen 1 oder 2 bezeichneten Staat aufweist, so ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden. Eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat könnte sich insb. aus einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien – wie einem Vertrag – ergeben, das mit der betreffenden unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht.’

Nach Art. 15 Buchst. c und f der Rom-II-Verordnung ist das nach dieser Verordnung auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht insb. maßgebend für “das Vorliegen, die Art und die Bemessung des Schadens oder der geforderten Wiedergutmachung’ sowie “die Personen, die Anspruch auf Ersatz eines persönlich erlittenen Schadens haben’.

Brüssel-I-Verordnung und Verordnung (EU) Nr. 1215/2012

Kapitel II der Brüssel-I-Verordnung, in dem die Regeln zur Bestimmung des zuständigen Gerichts festgelegt sind, enthält einen Abschnitt 2 (“Besondere Zuständigkeiten’). In diesem Abschnitt findet sich Art. 5 der Verordnung, der unter Nr. 3 vorsieht:

“Eine Person, die ih...

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