VHB § 27 Abs. 1

Leitsatz

1. Verbleibt nach einer – vom Hausratversicherer erstatteten (zu erstattenden) – Reparatur ein nur mehr unerheblicher Schönheitsschaden und sind die Kosten einer "vollständigen" Reparatur gänzlich unverhältnismäßig, schuldet der Hausratversicherer (vorbehaltlich Besonderheiten der vereinbarten AVB) letztere nicht.

2. Dies gilt auch dann, wenn die AVB eine ausdrückliche Regelung zum Schönheitsschaden (nur) enthalten für den Fall, dass die Gebrauchsfähigkeit nicht beeinträchtigt wird (hier § 27 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) VHB).

OLG Hamm, Beschl. v. 15.1.2016 – 20 U 222/15

Sachverhalt

Der Kl. macht Ansprüche aus seiner Hausratversicherung unter Geltung der VHB der Bekl. wegen eines versuchten, bedingungsgemäß versicherten Einbruchsdiebstahls geltend, bei dem drei einflügelige Terrassentüren im Wohnzimmer und ein zweiflügeliges Fenster im Schlafzimmer beschädigt wurden.

Zwischen den Parteien ist die Höhe der notwendigen Reparaturkosten streitig. § 27 Abs. 1 Nr. 1 lit. b VHB regelt unter anderem:

"Ersetzt werden im Versicherungsfall bei beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten bei Eintritt des Versicherungsfalls zuzüglich einer durch die Reparatur nicht auszugleichenden Wertminderung … bei Eintritt des Versicherungsfalls. …"

Wird durch den Schaden die Gebrauchsfähigkeit einer Sache nicht beeinträchtigt und ist dem VN die Nutzung ohne Reparatur zumutbar (sog. Schönheitsschaden), so ist die Beeinträchtigung durch Zahlung des Betrages auszugleichen, der dem Minderwert entspricht.“

Die Bekl. erteilte dem Kl. eine Kostenzusage zur Erneuerung des Schlafzimmerfensters und der linken Terrassentür im Wohnzimmer und zahlte dem Kl. 1.688,05 EUR aus. Die mittlere und rechte Terrassentür im Wohnzimmer wurde repariert.

Der Kl. begehrt nunmehr Zahlung zum einen über den für die Erneuerung des Schlafzimmerfensters und der linken Terrassentür gezahlten Betrages hinaus mit der Begründung, dieser sei wegen Oberflächenunebenheiten zu gering bemessen. Zum anderen verlangt er Kostenersatz zur Erneuerung der mittleren und rechten Terrassentür, da die Schäden durch die Reparatur nicht hinreichend beseitigt worden seien.

2 Aus den Gründen:

" … 1. Ein Anspruch in Höhe der Hauptforderung aus § 1 VVG i.V.m. dem Versicherungsvertrag über den ausgeurteilten Betrag hinaus ist nicht gegeben."

a) Die Feststellungen des LG bezüglich der vom Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten und der Mehrwertsteuer für die Erneuerung des Schlafzimmerfensters und der linken Terrassentür werden nicht angegriffen. Dass vom LG getroffene Ergebnis ist auch ohnedies nicht zu beanstanden. …

b) Auch die Feststellungen des LG bezüglich der mittleren und rechten Terrassentür halten einer Überprüfung im Ergebnis stand.

aa) Zwar liegt kein Schönheitsschaden i.S.d. § 27 Nr. 1 lit. b. S. 2 VHB vor, da bereits von der Bekl. nicht behauptet wird, dass dem Kl. eine Nutzung der beiden Türen gänzlich ohne Reparatur zumutbar gewesen sei. Dennoch handelt es sich letztlich allenfalls um einen – wenn auch nicht bedingungsgemäßen – Schönheitsschaden, da die Gebrauchsfähigkeit der Türen nicht beeinträchtigt ist (vgl. zum allgemeinen Begriff des Schönheitsschadens Johannsen, in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2012, § 13 VGB 2008/2010 Rn 6; Gierscheck, in: Dietz/Fischer/Gierscheck, Wohngebäudeversicherung, 3. Aufl. 2015, A § 13 Rn 45 ff.).

Die Nichtbeeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der Türen hat der Sachverständige eindeutig klargestellt. Sie wird vom Kl. mit seiner Berufung nicht konkret angegriffen. Auch wenn das zusätzliche Schließstück am Rahmen ohne Gegenstück in der Tür keine Sicherungsfunktion aufweist, ist der Sicherheitsstand der Gesamttür – wie der Sachverständig klargestellt hat – nicht geringer als vor dem versuchten Einbruch. Sonstige Beeinträchtigungen der Gebrauchsfähigkeit der Türen sind weder vorgetragen noch ersichtlich, sondern im Gegenteil vom Sachverständigen ausgeschlossen worden.

bb) Die Frage, ob dem VN einer Hausratversicherung … bei einem derartigen Schaden ein Anspruch auf Ersatz der Erstattung der Reparaturkosten oder nicht und ggf. nur ein Anspruch wegen Wertminderung zusteht, entzieht sich allgemeingültigen Bewertungsmaßstäben … und ist eine Frage des Einzelfalls. …

Hierbei kommt es auch darauf an, ob der VN bei Abwägung aller Einzelfallumstände auch als nicht versicherter Gebäudeeigentümer bei verständiger Würdigung eine Reparatur vornehmen würde oder ob es sich um einen von ihm betriebenen Luxusaufwand handelte, dessen Ersatz der VR nicht schuldet (vgl. insoweit OLG Saarbrücken VersR 2011, 489 = r+s 2011, 477; OLG Düsseldorf VersR 2007, 943 = r+s 2007, 200 … ). Bei bloßen optischen Beeinträchtigungen kann hierbei dem Funktionszweck der beschädigten Sache sowie der Art, Größe und örtlichen Lage der Schadenstelle Bedeutung zukommen und der bisherige Zustand der betroffenen Sache zu berücksichtigen sein. … Indes sind für den Entschädigungsanspruch des VN nicht insgesamt die (gesetzlichen) Maßstäbe anzuwenden, die im Haftpflichtrecht für die Begrenzung des Schadenersatza...

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