BGB § 253 Abs. 2; EGBGB Art. 40

Leitsatz

Für die Bemessung des Schmerzensgeldes können ggf. die Verhältnisse des Staates zu berücksichtigen sein, in dem der Geschädigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dieser Grundsatz führt allerdings nicht zur Abkehr vom Tatortprinzip für das auf das Schmerzensgeld anzuwendende Recht. Der Bezug des Geschädigten zu einem anderen Staat kann sich vielmehr als einer von mehreren Faktoren bei der Bemessung des Schmerzensgeldes auswirken. Die Verhältnisse in dem anderen Staat sind insofern zu berücksichtigen, als unter den Lebensverhältnissen des Geschädigten dort erschwerte Auswirkungen des Unfalls im "Schmerzensbereich" erkennbar sind. Dies meint den Einsatz des Schmerzensgeldes zu gleichen Konditionen, also unter Berücksichtigung vergleichbarer Wirtschafts- und Kaufkraftverhältnisse.

OLG Naumburg, Urt. v. 23.12.2014 – 12 U 36/14

Sachverhalt

Der niederländische Fahrer eines niederländischen Lkw erlitt bei einem Unfall mit einem deutschen Unfallgegner in Deutschland Verletzungen, aus denen er einen Schmerzensgeldanspruch herleitete. Der Senat ging unter Zugrundelegung des Tatortprinzips gem. Art. 40 Abs. 1 EGBGB von der Anwendung deutschen Deliktsrechts aus und verneinte eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse in den Niederlanden bei der Bemessung des Schmerzensgeldes.

2 Aus den Gründen:

" … Auch für die Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes ist kein niederländisches Recht anzuwenden. Zwar können diesbezüglich ggf. die Verhältnisse des Landes zu berücksichtigen sein, in dem der Geschädigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (z.B. OLG Frankfurt zfs 2004, 452; OLG Koblenz NJW-RR 2002, 1030; OLG Köln VersR 1993, 977; KG VersR 2002, 1567; OLG München VersR 1984, 745). Dieser Grundsatz führt allerdings nicht zur Abkehr vom Tatortprinzip für das auf das Schmerzensgeld anzuwendende Recht. Der Umstand, dass der Geschädigte auch einen gewissen Bezug zu einem anderen Staat als Deutschland hat, kann sich vielmehr nur als einer von mehreren Faktoren bei der Bemessung des Schmerzensgeldes auswirken. Soweit der Bekl. zu 3) ausgeführt hat, dass selbst bei Anknüpfung an deutsches Recht die ausländischen Regeln (hier die niederländische Rspr.) zu beachten sei, liegt dem ein unzutreffendes Verständnis des von ihm zitierten Urteils des BGH (VersR 1987, 818 = NJW 1988, 648) zugrunde. In diesem Fall stand aber fest, dass österreichisches Recht anzuwenden war. In der Entscheidung ist nur zusätzlich ausgeführt worden, dass das deutsche Gericht nicht nur die ausländischen Gesetze, sondern auch die konkrete Ausgestaltung des ausländischen Rechts, insb. die ausländische Rspr. zu berücksichtigen habe. In vorliegenden Fall ist aber zweifelsfrei deutsches Recht anzuwenden, wie es durch die Rspr. ausgestaltet worden ist."

Zutreffend hat das LG auf einen Schadensersatzanspruch des Kl. gegen den Bekl. zu 3) i.H.v. 6.200,84 EUR erkannt. Der Bekl. zu 3) hat, was von ihm mit der Berufung auch gar nicht mehr in Abrede genommen wird, den Kl. fahrlässig an Körper und Gesundheit geschädigt. Er haftet daher dem Grunde nach auf Schadensersatz. Ebenso zutreffend hat das LG ein Mitverschulden des Kl. bei der Entstehung des Schadens nach § 254 Abs. 1 S. 1 BGB im Umfange von einem Drittel berücksichtigt. …

Der zuerkannte Schadensersatz ist der Höhe nach gerechtfertigt. Der Kl. kann von dem Bekl. zu 3) ein Schmerzensgeld i.H.v. 4.000 EUR verlangen. Zwar ist dem Bekl. zu 3) im Ausgangspunkt zuzugeben, dass im Unterschied zum Ersatz materiellen Schadens bei der Bemessung des Schmerzensgeldes das Mitverschulden des Verletzten nicht etwa in der Weise zu berücksichtigen ist, dass zunächst ein Schmerzensgeld ermittelt wird, wie es ohne das Mitverschulden des Verletzten angemessen wäre, und sodann eine der Mitverschuldensquote entsprechende Kürzung erfolgt. Vielmehr stellt das Mitverschulden bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes lediglich ein Bemessungselement neben anderen dar, wobei sich die einzelnen Bemessungselemente je nach den konkreten Umständen des Einzelfalles unterschiedlich auswirken können (vgl. BGH NZV 1991, 305; OLG Brandenburg VersR 2009, 1274 = MDR 2009, 1274; OLG Zweibrücken NJW-RR 2014, 33). Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist in erster Linie dessen Ausgleichsfunktion zu berücksichtigen. Dabei kommt es auf die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung an. Maßgeblich sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychischen Beeinträchtigungen, wobei Leiden und Schmerzen wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere der Operationen, die Dauer der stationären und der ambulanten Heilbehandlungen, den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden. Zu berücksichtigen ist – wie ausgeführt – auch ein etwaiges Mitwirken des Verschuldens des Verletzten (z.B. OLG Brandenburg VersR 2009, 1274 = MDR 2009, 1274). Das LG ist in der Summe unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände unter Einschluss eines Mitverschuldens des Geschädigten und in Abwägung mit verg...

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