Einführung

Sind gegen den Betroffenen in mehreren Verfahren zwei oder mehr Fahrverbote verhängt worden, so droht eine lange (addierte) Fahrverbotsdauer. Der Verteidiger, der die Fahrverbotsanordnungen ggf. nicht abwenden konnte, wird somit versuchen müssen, für den Betroffenen eine so genannte "Parallelvollstreckung" zu erreichen. Diese Parallelvollstreckung ist einer der derzeit noch heiß umkämpften Bereiche des Fahrverbots. Der Beitrag gibt einen Überblick über den derzeitigen Stand der Rechtsprechung und zeigt auf, wie eine Parallelvollstreckung erreicht werden kann.

A. Einführung

Fahrverbote können unterschiedlich "aussehen" – es gibt beschränkte und unbeschränkte, strafrechtliche und ordnungswidrigkeitenrechtliche und nicht zuletzt solche mit und solche ohne Schonfrist ("4-Monate-Abgabefrist").[1] Die Lösung der einzelnen Fälle des Zusammentreffens mehrerer gleicher/verschiedener Fahrverbote ist nicht immer einfach und in der Rechtsprechung und Literatur oft umstritten. Hintergrund sind fehlende oder jedenfalls ungenügend deutliche gesetzliche Regelungen diesbezüglich. Lediglich § 25 Abs. 2a S. 2 StVG befasst sich mit der Vollstreckung mehrerer Fahrverbote: "Werden gegen den Betroffenen weitere Fahrverbote rechtskräftig verhängt, so sind die Fahrverbotsfristen nacheinander in der Reihenfolge der Rechtskraft der Bußgeldentscheidungen zu berechnen." Da diese Vorschrift in Zusammenhang mit der Schonfrist in das StVG eingefügt wurde, stellt sich schon beim ersten Lesen die Frage, ob diese Vollstreckungsregelung für jedes Fahrverbot neben einem "Schonfristfahrverbot" gilt, nur für den Fall des Zusammentreffens mehrerer "Schonfristfahrverbote" (mit denen sich ansonsten § 25 Abs. 2a StVG befasst) oder vielleicht gar für alle Fälle mehrerer Fahrverbote. Zudem hat der Gesetzgeber nicht geregelt, was bei gleichzeitiger Rechtskraft zu geschehen hat. So sind also schon durch das Gesetz Probleme "vorprogrammiert".

[1] Zum Zusammentreffen von Fahrverbot und strafrechtlicher/verwaltungsrechtlicher Fahrerlaubnisentziehung: Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 2. Auflage 2010, § 17 Rn 10 ff. (= Parallelvollstreckung); zum Zusammentreffen mit einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung gem. § 111a StPO: Gebhardt, Das verkehrsrechtliche Mandat – Bd. 2, 7. Aufl. 2012, § 27 Rn 158 (= Parallelvollstreckung).

B.  Mehrere "Schonfristfahrverbote"

Treffen mehrere mit der 4-Monats-Frist des § 25 Abs. 2a StVG versehene Fahrverbote im Rahmen der Vollstreckung zusammen, so sind sie in der Reihenfolge der Rechtskraft nacheinander zu vollstrecken. Der Gesetzgeber hat diesen Fall in § 25 Abs. 2a S. 2 StVG ausdrücklich geregelt.[2] Die Gesetzesformulierung ist also für diese Fälle klar und unmissverständlich. Die Rechtskraft als maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Vollstreckungsreihenfolge festzustellen, ist in der Praxis i.d.R. unproblematisch.[3] U.U. kann es hier auch erforderlich werden, nicht nur das Datum der Rechtskraft festzustellen, sondern auch die Uhrzeit. Dies kann etwa erforderlich werden, wenn Einspruchsrücknahmen per Fax am gleichen Tage an verschiedene Behörden gesandt wurden. Der Verteidiger sollte sich daher den Eingang und die Rechtskraft bestätigen lassen und in Fällen der erforderlichen Klärung darauf hinwirken, dass die vollstreckenden Behörden von den jeweils anderen Entscheidungen und deren genauer Rechtskraft Kenntnis erlangen. Der Wille des Gesetzgebers, zumindest mehrere mit Schonfrist versehene Fahrverbote im Wege der Anschlussvollstreckung zu erledigen, kann m.E. jedoch nicht greifen, wenn ein zeitgleicher Rechtskrafteintritt herbeigeführt wird, da dann nicht mehr die gesetzlich vorgesehene Rechtskraftreihenfolge festgestellt werden kann. Diese Möglichkeit einer parallelen Vollstreckung von Schonfristfahrverboten hat auch das OLG Hamm in einer nicht vollstreckungsrechtlichen Entscheidung ausdrücklich angenommen (allerdings für den Fall, dass eine Bußgeldentscheidung mit zwei Fahrverboten zur gleichen Zeit rechtskräftig und damit auch zur gleichen Zeit vollstreckbar würde).[4] Es ist hier anwaltliche Kreativität gefragt. Möglich ist z.B. eine Rücknahme aller Einsprüche oder Rechtsbeschwerden mit einem Schriftsatz, in dem alle betroffenen Verfahren erwähnt sind, so dass hierdurch eine zeitgleiche Rücknahme dokumentiert ist. Dies gilt natürlich nur dann, wenn alle Verfahren bei der gleichen Behörde anhängig sind. Bei verschiedenen Behörden kann z.B. ein Computerfax erfolgversprechend sein – die E-Mail reicht dagegen (noch) nicht für die Schriftform aus. Ansonsten reicht bei herkömmlich schriftlicher Rücknahmeerklärung der jeweilige Eingangsstempel der Behörde/des Gerichtes, da hier i.d.R. nur das Datum des Eingangs des Schriftsatzes, nicht aber die Uhrzeit dokumentiert wird. Wird dagegen zuerst an die eine und dann die andere Behörde gefaxt, ist wieder eine zeitliche Reihenfolge der Rechtskraft feststellbar, auch wenn möglicherweise nur Sekunden entscheidend sind.

Die frühere zu diesem Thema veröffentlichte Rechtsprechung hat in derartigen Konstellationen gleichwohl den Para...

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