ZPO § 91 Abs. 1 S. 1 § 104 Abs. 2 S. 1

Leitsatz

Zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines weder im Rechtsstreit noch im Kostenfestsetzungsverfahren vorgelegten Privatgutachtens.

BGH, Beschl. v. 26.2.2013 – VI ZB 59/12

Sachverhalt

Wegen eines angeblich am 4.4.2009 stattgefundenen Verkehrsunfalls hatte die Kl. die beklagte Haftpflichtversicherung vor dem LG auf Schadensersatz in Anspruch genommen. In der Vorkorrespondenz hatte die Bekl. geltend gemacht, nicht sämtliche Schäden seien auf den Verkehrsunfall zurückzuführen. Am Tage nach der Klagezustellung, am 12.2.2010, erteilte die Bekl. der DEKRA einen Auftrag zur Erstellung eines schriftlichen Gutachtens "zur Plausibilität von Schadenabläufen". Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Kl. habe den Unfallhergang nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar dargelegt, da nicht sämtliche der behaupteten Schäden an ihrem Pkw aus dem primären Zusammenstoß der Fahrzeuge herrührten. Vielmehr habe es sich mit erheblicher Wahrscheinlichkeit um einen gestellten Unfall gehandelt. Die hiergegen eingelegte Berufung hat die Kl. nach einem für sie in der Sache ungünstigen Hinweisbeschluss des OLG zurückgenommen.

Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Bekl. u.a. die Erstattung von Kosten i.H.v. 755,77 EUR für die Einholung des DEKRA-Gutachtens beantragt. Hierzu hat sie die Rechnung des Privatgutachters vom 25.2.2010 vorgelegt und den Anfall der Kosten durch ihren Prozessbevollmächtigten anwaltlich versichern lassen. Der Rechtspfleger des LG hat die Gutachterkosten antragsgemäß festgesetzt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen. Die zugelassene Rechtsbeschwerde der Kl. hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

[4] "… II. 2 a) Nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insb. die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Dazu können nach der st. Rspr. des Senats auch die Kosten für die Einholung eines Privatsachverständigengutachtens gehören, wenn sie unmittelbar prozessbezogen sind (vgl. Senatsbeschl. BRAGOreport 2003, 96 (Hansens) = JurBüro 2003, 421; RVGreport 2006, 315 (ders.) = AGS 2006, 461; RVGreport 2008, 191 (ders.) = NJW 2008, 1597; RVGreport 2009, 195 (ders.); RVGreport 2012, 229 (ders.) = zfs 2012, 285 mit Anm. Hansens = JurBüro 2012, 310.). Dies ist hier der Fall, denn das Privatgutachten ist von der Bekl. am Tag nach der Klagezustellung in Auftrag gegeben worden. Die Prozessbezogenheit kann entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht mit der Begründung verneint werden, die Bekl. habe schon vor Klageerhebung geltend gemacht, sie könne beweisen, dass nicht sämtliche Schäden auf den Verkehrsunfall zurückzuführen seien. Aus diesem Vorbringen kann insb. nicht geschlossen werden, dass ihr das DEKRA-Gutachten schon damals vorlag.

[5] b) Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist die Einholung eines Privatgutachtens, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen (vgl. Senatsbeschl. v. 20.12.2011, RVGreport 2012, 229 (ders.) = zfs 2012, 285 mit Anm. Hansens). Da nach dem Klagevorbringen im Streitfall Anhaltspunkte für den Verdacht eines versuchten Versicherungsbetrugs vorlagen, durfte die Bekl. die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Frage einer möglicherweise gegebenen Unfallmanipulation als sachdienlich erachten. Dies gilt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde unabhängig davon, wie die Bekl. die Beweissituation vor Klageerhebung eingeschätzt hat.

[6] c) Zu Recht hat das Beschwerdegericht die Erstattungsfähigkeit der durch die Einholung des DEKRA-Gutachtens entstandenen Kosten bejaht. Dem steht nicht entgegen, dass die Bekl. das Gutachten weder im Rechtsstreit noch im Kostenfestsetzungsverfahren vorgelegt hat.

[7] aa) Die Frage, ob die Erstattungsfähigkeit der durch die Einholung eines schriftlichen Privatgutachtens entstandenen Kosten voraussetzt, dass das Gutachten zur Gerichtsakte gereicht wird, wird in der Rspr. unterschiedlich beantwortet.

[8] (1) Der früher teilweise vertretenen Auffassung, die Vorlage des Gutachtens sei schon deshalb erforderlich, weil die Kosten nur dann erstattungsfähig seien, wenn das Gutachten den Verlauf des Rechtsstreits zugunsten der das Privatgutachten vorlegenden Partei beeinflusst habe (vgl. etwa OLG Bamberg JurBüro 1990, 732; OLG Frankfurt am Main JurBüro 1984, 1083, 1084), ist der Senat entgegengetreten. Er hat klargestellt, dass für die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit maßgebend sei, ob die Partei die Einholung des Gutachtens ex ante als sachdienlich ansehen durfte (Senatsbeschl. v. 20.12.2011, RVGreport 2012, 229 (ders.) = zfs 2012, 285 mit Anm. Hansens).

[9] (2) Auch soweit die Vorlage des Gutachtens im Rechtsstreit mit der Begründung verlangt wird, dass...

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