BGB § 249 Abs. 1 § 823 Abs. 2 § 858 Abs. 1

Leitsatz

1. Zu den erstattungsfähigen Kosten für die Entfernung eines unbefugt auf einem Privatgrundstück abgestellten Fahrzeugs zählen nicht nur die Kosten des reinen Abschleppens, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs entstehen.

2. Nicht erstattungsfähig sind dagegen die Kosten, die nicht der Beseitigung der Besitzstörung dienen, sondern im Zusammenhang mit deren Feststellung angefallen sind, wie etwa die Kosten einer Parkraumüberwachung.

BGH, Urt. v. 2.12.2011 – V ZR 30/11

Sachverhalt

Die Kl. stellte trotz Hinweisschildes, dass unberechtigt parkende Fahrzeuge kostenpflichtig entfernt werden, ihr Fahrzeug unbefugt auf dem Kundenparkplatz eines Supermarktes ab. Aufgrund eines Rahmenvertrages mit dem Betreiber des Supermarktes, in dem u.a. die Abtretung von Ansprüchen gegen unberechtigte Nutzer enthalten ist, schleppte die Bekl. das Fahrzeug ab und verbrachte es auf einen öffentlichen Parkgrund. Da die Kl. nicht bereit war, den Rechnungsbetrag über netto 219,50 EUR ("Grundgebühr mit Versetzung") zu begleichen, gab die Bekl. ihr den Standort des Fahrzeugs nicht bekannt.

Die Klage auf Herausgabe des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Zahlung von nur 150 EUR sowie auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung von 3.758 EUR wurde vom LG abgewiesen. Nachdem die Bekl. der Kl. den Standort des Fahrzeuges mitgeteilt hatte, haben die Parteien im Berufungsverfahren den Herausgabeantrag übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Berufung blieb hinsichtlich der weiterhin verlangten Nutzungsentschädigung erfolglos. Die zugelassene Revision, mit der die Kl. ihr Begehren auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung verfolgt hat, blieb erfolglos.

2 Aus den Gründen:

[3] "… Das BG verneint einen Anspruch der Kl. auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung, da sich die Bekl. mit der Herausgabe des Fahrzeugs bzw. der Bekanntgabe seines Standortes nicht in Verzug befunden habe. Die Bekl. habe zu Recht ein Zurückbehaltungsrecht wegen der ihr abgetretenen Schadensersatzforderung der Supermarktbetreiberin ausgeübt. Die mit dieser vereinbarten Abschleppkosten i.H.v. netto 219,50 EUR seien angemessen. Maßgeblich seien nicht allein die für das Umsetzen eines Fahrzeugs anfallenden Kosten. Vielmehr seien auch die Kosten mit einzubeziehen, die der Vorbereitung dieses Vorgangs dienten, da es sich um Maßnahmen handle, die die normale Mühewaltung eines Geschädigten überschritten. Schließlich habe die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen."

[4] II. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

[5] Zu Recht hat das BG einen Anspruch der Kl. gem. § 990 Abs. 1 S. 2, § 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens verneint, da sich die Bekl. mit der Herausgabe des Fahrzeugs nicht in Verzug befand. Die Verpflichtung der Bekl. zur Herausgabe war nicht fällig, weil ihr gem. § 273 Abs. 1 und 2 BGB ein Zurückbehaltungsrecht zustand. Durch das unbefugte Parken ist dem Betreiber des Supermarkts ein Schaden entstanden, dessen Ersatz die Bekl. von der Kl. verlangen kann, weil ihr der Betreiber des Markts seine Ansprüche abgetreten hat.

[6] 1. Rechtsgrundlage des der Bekl. abgetretenen Anspruchs ist § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 858 Abs. 1 BGB. Wie der Senat bereits entschieden hat, stellt das unbefugte Abstellen eines Fahrzeugs auf einem privaten Kundenparkplatz eine verbotene Eigenmacht i.S.d. § 858 Abs. 1 BGB dar, der sich der unmittelbare Grundstücksbesitzer erwehren darf, indem er das Fahrzeug abschleppen lässt (Senat, Urt. v. 5.6.2009 V ZR 144/08, BGHZ 181, 233 ff.). Die Kl. ist daher verpflichtet, dem Betreiber des Supermarkts den ihm aus der verbotenen Eigenmacht entstandenen Schaden zu ersetzen.

[7] a) Entgegen der Auffassung des BG bemisst sich der Umfang des zu ersetzenden Schadens allerdings nicht nach § 249 Abs. 2 BGB, sondern nach § 249 Abs. 1 BGB. Denn es geht hier nicht um die Beschädigung einer Sache, sondern um die Beseitigung der Folgen einer verbotenen Eigenmacht. Ersatzfähig sind solche Schäden, die in adäquatem Zusammenhang mit der von der Kl. verübten verbotenen Eigenmacht stehen und vom Schutzbereich der verletzten Norm erfasst werden.

[8] b) Rechtsfehlerfrei hat das BG den auf das reine Abschleppen (ohne Grundgebühr) entfallenden Anteil dem Grunde nach als einen erstattungsfähigen Schaden des Supermarktbetreibers angesehen.

[9] Dass unbefugt auf dem Grundstück des Supermarktbetreibers abgestellte Fahrzeuge kostenpflichtig abgeschleppt werden, stellt keine überraschende oder fern liegende Reaktion des unmittelbaren Besitzers dar, sondern die Verwirklichung der deutlich sichtbaren Ankündigung auf dem aufgestellten Schild. Diese Schadensfolge liegt auch im Schutzbereich der verletzten Norm. Indem das Gesetz dem unmittelbaren Besitzer als spontane Reaktion auf eine verbotene Eigenmacht das Selbsthilferecht (§ 859 BGB) zubilligt, dessen Ausübung mit Kosten verbunden sein kann, stellt es selbst den notwendigen Zusammenhang zwisc...

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