[8] "… 1. Die Revision des Kl. ist unbegründet. Eine über 52,5 % hinausgehende Invaliditätsentschädigung steht dem Kl. jedenfalls nicht zu. Zutreffend ist das BG davon ausgegangen, dass keine Addition der Invaliditätswerte stattfindet, wenn neben Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines rumpfnäheren Körperteils zugleich Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines rumpfferneren Körperteils vorliegt."

[9] a) AVB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an … Hierbei sind Versicherungsbedingungen aus sich selbst heraus zu interpretieren ohne vergleichende Betrachtung mit anderen Bedingungen, die dem VN regelmäßig nicht bekannt sind und auch nicht bekannt sein müssen, so dass ihm eine bedingungsübergreifende Würdigung von vornherein verschlossen bleibt. Die Entstehungsgeschichte der Bedingungen hat ebenso wie ihre spätere Entwicklung außer Betracht zu bleiben … .

[10] b) Ein um Verständnis bemühter VN entnimmt § 7 I (1) AUB 88 zunächst, dass die Bekl. ihm eine Invaliditätsleistung verspricht für den Fall, dass ein Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) führt. Grundlage für die Berechnung der Leistung bilden die Versicherungssumme und der Grad der unfallbedingten Invalidität. Wie sich die Höhe der Leistungen im Einzelnen bemisst, kann der VN § 7 I (2) a) AUB 88 für die dort genannten Körperteile und Sinnesorgane entnehmen. Die Gliedertaxe bestimmt nach einem abstrakten und generellen Maßstab feste Invaliditätsgrade bei Verlust oder diesem gleichgestellter Funktionsunfähigkeit der mit ihr benannten Glieder. Gleiches gilt bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines durch die Gliedertaxe abgegrenzten Teilbereichs eines Gliedes. Demgemäß beschreibt die Regelung abgegrenzte Teilbereiche eines Armes und Beines und ordnet jedem Teilbereich einen festen Invaliditätsgrad zu, der mit Rumpfnähe des Teilgliedes steigt. Die Gliedertaxe stellt damit für den Verlust und für die Funktionsunfähigkeit der in ihr genannten Gliedmaßen oder deren Teilbereiche durchgängig allein auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung ab (vgl. zu diesem Verständnis der Gliedertaxe Senat VersR 2011, 202; VersR 2006, 1117 unter II 1a; VersR 2001, 360 unter 2a; VersR 1991, 413).

[11] Der Systematik der Gliedertaxe kann der VN ferner entnehmen, dass für die Bereiche der mit dem Arm und dem Bein zusammenhängenden Körperteile abgestufte Invaliditätsgrade festgesetzt werden, die beim Arm mit der Bewertung der Invalidität eines Fingers mit 5 % beginnen und mit dem Arm im Schultergelenk mit 70 % enden. Hiermit trägt die Gliedertaxe dem Umstand Rechnung, dass Gliedverluste – Entsprechendes gilt für völlige oder teilweise Gebrauchsunfähigkeit – mit zunehmender Rumpfnähe der Stelle, an der das Körperglied verloren gegangen (oder die Gebrauchsbeeinträchtigungen auslösende Ursache zu lokalisieren) ist, zu wachsender Einschränkung der generellen Leistungsfähigkeit von Menschen führen … .

[12] c) Ausgehend hiervon erkennt ein durchschnittlicher VN, dass der Verlust oder die Funktionsunfähigkeit des Armes im Schultergelenk (nur) deshalb mit dem höchsten Invaliditätsgrad von 70 % bemessen wird, weil hierin zugleich die Beeinträchtigung der übrigen Teilglieder des Armes enthalten ist. In jedem der in der Gliedertaxe genannten Invaliditätssätze ist bereits mitberücksichtigt, wie sich der unfallbedingte Verlust oder die Gebrauchsunfähigkeit eines Gliedteils auf den verbleibenden Gliedrest auswirkt. Daraus resultiert das Ansteigen des Invaliditätsprozentsatzes mit zunehmender Rumpfnähe des Gliedverlustes oder der Funktionsstörung … Anderenfalls wäre kein Grund dafür ersichtlich, warum der Invaliditätsgrad kontinuierlich mit Rumpfnähe ansteigt. Wären die Invaliditätsgrade für die verschiedenen Teilglieder isoliert zu berechnen und zu addieren, so müsste eine gesonderte Bewertung der rumpfnäheren Teilglieder ohne Berücksichtigung der rumpfferneren erfolgen.

[13] d) Den Grundsatz, dass keine Addition der einzelnen Invaliditätswerte erfolgt, wird der VN auch daraus entnehmen, dass für den gesamten Arm im Schultergelenk lediglich eine maximale Invalidität von 70 % vorgesehen ist. Wären demgegenüber sämtliche Invaliditätsgrade der Teilglieder zu addieren, würde der VN bereits bei vollständiger Invalidität der Hand im Handgelenk, des Daumens und der Finger eine 100 %ige Invalidität erreichen. Käme noch der Arm unterhalb bzw. oberhalb des Ellenbogengelenks hinzu, so ergäbe sich häufig eine Invalidität von über 100 % und eine Deckelung auf 100 % würde jeweils erst durch die Regelung in § 7 I (2) d) AUB 88 erreicht … .

[14] e) Ferner ersieht der VN aus der Gliedertaxe, dass diese Verlust und Funktionsunfähigkeit der aufgeführten Körperteile und Sin...

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