StVO § 37, BKatV Nr. 132.3

Leitsatz

1. Die Feststellungen zur Dauer eines Rotlichtverstoßes müssen so getroffen werden, dass sie für das Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar sind.

2. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Erfüllung der Voraussetzungen nach Nr. 132.3 BKatV ist das Einfahren in den durch das Rotlicht zeigende Lichtzeichen geschützten Bereich, wenn der Betr. zunächst auf einem anderen Fahrstreifen, für den das Rotlicht nicht gilt, in den Kreuzungsbereich einfährt und sich dann hinsichtlich seines Fahrwegs anders entschließt.

OLG Hamm, Beschl. v. 8.2.2018 – 4 RBs 27/18

Sachverhalt

Das AG hat den Betr. wegen eines Verstoßes gegen § 37 StVO (Rotphase länger als eine Sekunde) zu einer Geldbuße von 200 EUR verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Vor der Ampelkreuzung hielt der Betr. mit seinem Kfz auf der Rechtsabbiegespur. Die betreffende Ampelkreuzung besteht aus drei Spuren (Linksabbieger, Geradeausfahrer, Rechtsabbieger), die jeweils mit Richtungspfeilen auf dem Asphalt gekennzeichnet sind. Für die Geradeausfahrer besteht eine eigene Lichtzeichenanlage. Für die Linksabbieger besteht ebenfalls eine eigene Lichtzeichenanlage. Der Betr. ordnete sich sodann in die Spur für die Geradeausfahrer ein. Die Lichtzeichenanlage für die Geradeausfahrer zeigte Grünlicht, auf der Kreuzung entschied sich der Betr. um und wendete im Kreuzungsbereich nach links. Als der Betr. den Kreuzungsbereich befuhr zeigte die Linksabbiegespur bereits mehrere Sekunden (mindestens fünf Sekunden) Rotlicht.

Gegen das Urteil wendet sich der Betr. mit der Rechtsbeschwerde. Das OLG Hamm hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

2 Aus den Gründen:

" … II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat auf die Sachrüge hin Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (zur Vermeidung etwaiger widersprüchlicher Feststellungen im Schuld- und Rechtsfolgenausspruch) und zur Zurückverweisung der Sache an das AG Warendorf (§ 79 Abs. 6 OWiG)."

Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils weist einen Rechtsfehler zu Lasten des Betr. auf, da sie lückenhaft ist. Grds. kann – jedenfalls bei einer gezielten Ampelüberwachung – die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes aufgrund der Schätzung von Polizeibeamten festgestellt werden. Diese Schätzung muss aber für das Tatgericht und das Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar sein. Deswegen muss das tatrichterliche Urteil Feststellungen dazu enthalten, nach welcher Methode die Zeit ermittelt wurde (OLG Hamm, Beschl. v. 12.3.2009 – 3 Ss OWi 55/09, juris m.w.N.). Im vorliegenden Fall lässt sich den Urteilsgründen entnehmen, dass das AG offenbar aufgrund der Bekundung des Zeugen C i.V.m. der verlesenen polizeilichen Anzeige zu der Überzeugung gelangt ist, dass das Rotlicht für die Linksabbiegerspur “zum Tatzeitpunkt' bereits fünf Sekunden leuchtete. Genau genommen ergibt sich aus der polizeilichen Anzeige, so wie sie im angefochtenen Urteil mitgeteilt wird, allerdings nur, dass die Lichtzeichenanlage für die Linksabbiegerspur Rotlicht zeigte und “mindestens fünf Sekunden im Blickfeld der Beamten lag'. Von einer bereits fünf Sekunden andauernden Rotphase ist hier nicht die Rede. Selbst, wenn man dies anders sehen wollte, so bliebe aber immer noch offen, wie die Polizeibeamten die Dauer des Rotlichtverstoßes ermittelt haben (genaue Messung mittels Uhr, Schätzung etc.). So ist die Genauigkeit dieser Angabe letztlich nicht zu überprüfen. Der Betr. selbst, der sein Fahrverhalten als solches nicht in Abrede gestellt hat, konnte die Dauer des Rotlichtverstoßes ebenfalls nicht einräumen, da er nach seiner Einlassung auf die Lichtzeichenanlage der Linksabbieger nicht geachtet haben will.

Ein weiterer Rechtsfehler liegt darin, dass unklar bleibt, auf welchen Zeitpunkt und welche örtliche Position des Fahrzeugs des Betr. hinsichtlich der Bemessung der Dauer der Rotlichtphase das AG abstellt. Grds. maßgeblich ist das Überfahren der Haltelinie. Ist eine solche nicht vorhanden, so kann auch das Vorbeifahren an der Lichtzeichenanlage oder der des Einfahrens in den durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich maßgeblich sein. Zudem kann auch in Fällen, in denen das Überfahren der Haltelinie und das Einfahren in den geschützten Bereich nicht nahtlos ineinander übergehen, ein qualifizierter Rotlichtverstoß gegeben sein (BGH, Beschl. v. 24.6.1999 – 4 StR 61/99, juris). Da hier ein bewusstes Umfahren des Rotlichts nicht festgestellt ist und letztlich offen bleibt, ob der Betr. überhaupt in den Kreuzungsbereich einfuhr, als die Linksabbiegerampel schon Rotlicht zeigte (vgl. insoweit: BayObLG, Beschl. v. 27.6.2000 – 1 ObOWi 257/00, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 25.1.2006 – 1 Ss OWi 223/05, juris), ist nach dem Dafürhalten des Senats das Einfahren in den durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich maßgeblich, also hier das Einfahren im Kreuzungsbereich (hinter der Lichtzeichenanlage) von der Geradeausspur in die Linksabbiegespur (so wohl auch: OLG Dresden, Beschl. v. 3.4.2002 – Ss (OWi) 9054/01, juris). Nach der Formulierung zum ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge