" … Dabei kann zugunsten der Kl. unterstellt werden, dass sie am 5.9.2010 in der behaupteten Weise gestürzt ist und dass sie in Folge dieses Geschehens den dargestellten dauerhaften Gesundheitsschaden erlitten hat. Dem Anspruch steht aber entgegen, dass die von der Kl. angegebenen Beschwerden nach dem Ergebnis der vom LG durchgeführten Beweisaufnahme nicht auf eine unfallbedingte organische Verletzung zurückzuführen sind, sodass die Bekl. das Vorliegen eines Ausschlusstatbestands nach Ziff. 5.2.6. der dem Vertragsverhältnis zugrunde liegenden AUB 2000 bewiesen hat. Die bei der Kl. nach dem behaupteten Sturzereignis aufgetretene retrograde Amnesie ist als eine krankhafte Störung anzusehen, die – wie hier zu ihren Gunsten unterstellt werden soll – zwar durch einen Unfall verursacht wurde, aber als Folge einer psychischen Reaktion i.S.v. Ziff. 5.2.6 der Versicherungsbedingungen aufgetreten ist und daher vom Versicherungsschutz ausgenommen bleibt. Der Ausschlussklausel in Ziff. 5.2.6., gegen deren Wirksamkeit im Rahmen einer Inhaltskontrolle keine Bedenken bestehen, kann ein verständiger VN entnehmen, dass der Unfallversicherungsschutz bei psychisch vermittelten Krankheitszuständen nicht gelten soll. Sie umfasst Gesundheitsschädigungen infolge psychischer Reaktionen, die sowohl auf Einwirkungen von außen über Schock, Schreck Angst und ähnliches erfolgen, als auch auf unfallbedingter Fehlverarbeitung beruhen. (vgl. BGH zfs 2005, 142). Wodurch die psychische Reaktion verursacht wurde, ist für das Vorliegen des Ausschlusstatbestandes unerheblich. Die Klausel greift nur dann nicht ein, wenn eine organische Schädigung aufgrund eines Unfalls eingetreten ist, die sodann zu einem psychischen Leiden führt (…). Die Klausel soll in dieser Auslegung dem VR eine möglichst zuverlässige Tarifkalkulation ermöglichen und daher den Unfallversicherungsschutz auf solche Gesundheitsschäden beschränken, deren Entstehung objektiv fassbar ist (…). Die Beweislast für eine “psychische Reaktion' obliegt dabei dem VR."

Soweit die Kl. mit ihrer Berufung geltend macht, dass die unfallbedingte Ausschüttung von Stresshormonen die psychische Reaktion hervorgerufen haben soll, ist eine ergänzende Beweisaufnahme nicht geboten. Ob und inwieweit psychische Vorgänge im Körper eines Menschen mit bestimmten biochemischen Prozessen im Körper zusammenhängen, hat keine Auswirkungen auf das Verständnis des Ausschlusstatbestands “psychische Reaktion'.

Nach Darstellung der Kl. wurde eine für die Frage von Invaliditätsleistungen allein entscheidende retrograde Amnesie durch den Unfall vom 5.9.2010 verursacht. Der neurochirurgische SV Dr. K hat eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Kl. bestätigt, jedoch eine organische Ursache für diese Störung nachvollziehbar und mit überzeugender Begründung ausgeschlossen. Der Untersuchungsbefund des Nervensystems war normal, im Schädel-CT sei keine knöcherne Verletzung erkennbar und auch am Gehirn seien keine Verletzungsfolgen wie Narben oder Blutauflagerungen sichtbar gewesen. Im Ergebnis hat der SV wegen des bei der Kl. konkret vorliegenden Verletzungsbilds und insb. wegen der auf einzelne Gedächtnisinhalte bezogenen Amnesie ohne sonstigen kognitiven Defizite eine Vorder- und Schläfenhirnverletzung auch in Form einer Contre-Coup Verletzung ausgeschlossen. Die bei der Kl. vorliegende retrograde Amnesie ist dem SV zufolge sehr wahrscheinlich als dissoziativer Gedächtnisverlust zu diagnostizieren. Der SV hat organische Ursachen der Gedächtnisstörung als sehr unwahrscheinlich ausgeschlossen. Zweifel an dieser Darstellung ergeben sich für den Senat nicht. Die Prellmarke am Hinterkopf und die weiteren, folgenlos ausgeheilten Verletzungen in Folge des behaupteten Unfallgeschehens kommen als organische Ursache nicht in Betracht. Auch eine neurologische Verletzung und/oder Erkrankung ist auszuschließen. Unter diesen Umständen verbleibt nur die Möglichkeit einer dissoziativen Gedächtnisstörung, bei der es sich um ein psychisches und nicht um ein hirnorganisches Krankheitsbild handelt. Die physikalische Einwirkung mechanischer Kräfte bei dem Unfall vom 5.9.2010 hat für die krankhafte Störung keine Rolle gespielt. Vielmehr handelt es sich um eine psychisch bedingte Unfallreaktion. Zweifel an diesen sachverständigen Feststellungen ergeben sich für den Senat nicht und werden von der Berufung auch nicht überzeugend begründet.

Entscheidend ist allein der Begriff der “psychischen Reaktion' in den Versicherungsbedingungen (…). Die retrograde Amnesie stellt nach den Ausführungen des SV Dr. K eine psychische Störung als Reaktion auf den Unfall und nicht eine psychische Störung als Reaktion auf eine durch den Treppensturz erlittene physische Erkrankung dar. Der Unfallmechanismus war nach seiner Einschätzung nicht in der Lage, direkt einen relevanten Hirnschaden hervorzurufen, noch sei durch den nachgewiesenen Grad der äußeren Einwirkung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine irgendwie geartete körperliche Reaktion ausgelöst worden, die ...

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