" … I. Die Berufung der Kl. ist überwiegend begründet."

Dem Grunde nach haften die Bekl. (samtverbindlich) nicht nur zu 80 %, sondern zu 100 %.

Abzüge von der Klageforderung waren lediglich im Hinblick darauf vorzunehmen, dass es sich bei den von der Kl. an den Zeugen Dr. K geleisteten Provisionszahlungen nicht im vollen streitgegenständlichen Umfang um Entgeltfortzahlungen handelte und dass zudem ersparte berufsbedingte Aufwendungen des Zeugen Dr. K zu berücksichtigen waren.

1.) Der Senat hält hinsichtlich der Haftungsverteilung an seiner Rechtsauffassung fest, wie sie bereits in der Verfügung vom 9.1.2017 dargelegt worden ist. Demnach gilt Folgendes:

Aufgrund der vom Erstgericht in nicht zu beanstandender Weise getroffenen und daher den Senat gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindenden Feststellungen ist die Haftung entgegen dem Ersturteil nicht im Verhältnis 20 %:80 % zu Lasten der Bekl. zu verteilen, sondern im Verhältnis 0 %:100 % zu Lasten der Bekl.

a) Wie auch vom Erstgericht insoweit noch zutreffend ausgeführt, trifft den Bekl. zu 1) – und damit gem. § 115 Abs. 1 VVG auch die Bekl. zu 2) – eine (verschuldensunabhängige) Gefährdungshaftung. Damit haften die Bekl. samtverbindlich grds. zu 100 %. Ihnen obliegt es, dem Zeugen Dr. K ein Mitverschulden (§ 9 StVG i.V.m. § 254 BGB) nachzuweisen.

b) Entgegen der Bewertung im Ersturteil tragen die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nicht den Vorwurf eines Mitverschuldens des Zeugen Dr. K.

aa) Zunächst ist es im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass sich das Erstgericht keine Überzeugung davon gebildet hat, dass der Zeuge Dr. K trotz für ihn geltenden Rotlichts die Straße überquert hätte. Gem. den Ausführungen des SV M ist es möglich, dass gleichzeitig für den Bekl. zu 1) und den Zeugen Dr. K jeweils Grünlicht angezeigt wurde.

bb) Unstreitig – und als solches auch im Tatbestand des Ersturteils festgestellt – ist weiterhin, dass der Zeuge Dr. K die Fußgängerfurt benutzte, also nicht gegen § 25 Abs. 3 S. 2 StVO verstieß.

cc) Schließlich konnte auch nicht nachgewiesen werden, dass für den Zeugen Dr. K das herannahende Fahrzeug des Bekl. zu 1) ausreichend lange sichtbar gewesen wäre und er bei entsprechendem Verzicht auf die Überquerung der Fußgängerfurt den Unfall hätte vermeiden können, wie es den vom Senat mit Urteil vom 16.9.2016 (10 U 750/13, juris) entschiedenen Fall prägte. Gem. den Ausführungen des SV M ist es nämlich aus technischer Sicht nicht zu klären, ob der Beklagten-Pkw schon am Linksabbiegen war, als der Fußgänger die Fahrbahn betrat. Wann letzteres genau der Fall gewesen sein sollte, haben auch weder der Zeuge Dr. K selbst noch der Bekl. zu 1) noch der Zeuge A bekundet.

dd) Soweit das Erstgericht bei dieser Sachlage den Mitverschuldensvorwurf darauf stützt, dass der Zeuge Dr. K bei fehlendem Tageslicht und auch im Übrigen schwierigen Sichtbedingungen dunkel gekleidet die Fußgängerfurt überquerte, kann dies keinen Bestand haben Wer als Fußgänger ordnungsgemäß, d.h. entsprechend den Vorgaben des § 25 Abs. 3 StVO, eine Straße überquert, muss sich nicht im Hinblick auf die Farbe seiner Kleidung einen Mitverschuldensvorwurf gefallen lassen. Alles andere würde nicht nur der Rechtsordnung widersprechen, sondern auch der Lebenswirklichkeit. Wie in der Berufungsbegründung zutreffend ausgeführt, betreffen die beiden vom Erstgericht zitierten Urteile des OLG Saarbrücken (v. 3.11.2009 – 4 U 306/09, juris) und des KG (vom 21.1.2010 – 12 U 29/09, juris) keine vergleichbaren Sachverhalte. Denn dort ging es jeweils um Fußgänger, welche nicht innerhalb einer Fußgängerfurt die Straße überquerten, und dies zudem jeweils unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 S. 1 StVO. Mit einem solchen Verhalten von Fußgängern muss ein Kraftfahrzeugführer ggf. zwar auch rechnen, aber nicht in demselben Maße wie hier.

c) Nachdem die Bekl. aufgrund Gefährdungshaftung und mangels Nachweises eines Mitverschuldens des Zeugen Dr. K samtverbindlich zu 100 % haften, kommt es auf die Frage, ob den Bekl. zu 1) ein Verschulden an dem Unfall trifft, nicht an. Angemerkt sei allerdings, dass auch die diesbezüglichen Ausführungen im Ersturteil nicht zu überzeugen vermögen. Dem Bekl. zu 1) konnte keine höhere Kollisions- und Ausgangsgeschwindigkeit als 25 km/h nachgewiesen werden. Es erschließt sich nicht, weshalb er damit gegen die Vorgaben des § 3 Abs. 1 S. 2, 4 StVO verstoßen haben sollte und weshalb er nur "mit sehr geringer Geschwindigkeit, nahe der Schrittgeschwindigkeit", hätte abbiegen dürfen. Eine solche Subsumtion tragende Feststellungen hat das Erstgericht nicht getroffen. … “

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