[6] "… III. Die Vorlage ist gem. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 GVG zulässig. Sie betrifft insb. eine Rechtsfrage."

[7] 1. Gegenstand der Divergenz zwischen dem vorlegenden OLG Oldenburg und den OLG Karlsruhe – 1. Senat für Bußgeldsachen –, Stuttgart und Saarbrücken ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Tatrichter bei der Prüfung einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 und 3 StVG aus der Feststellung einer den analytischen Grenzwert erreichenden THC-Konzentration im Blut auf ein objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten des Betr. bezüglich einer fortdauernden Cannabiswirkung im Körper schließen darf.

[8] Während das vorlegende OLG Oldenburg davon ausgeht, dass allein die Feststellung einer mindestens den analytischen Grenzwert erreichenden THC-Konzentration im Blut den tatrichterlichen Schluss auf ein insoweit sorgfaltswidriges Verhalten des Betr. tragen kann (ebenso OLG Celle VRS 128, 297; KG VRS 127, 244; HansOLG Bremen DAR 2014, 588; OLG Koblenz, Blutalkohol 51, 351; OLG Frankfurt [Senat für Bußgeldsachen] NStZ-RR 2013, 47; vgl. auch OLG Hamm [3. Strafsenat], Blutalkohol 48, 288 zu Amphetamin; OLG Karlsruhe [2. Senat für Bußgeldsachen] DAR 2015, 401), vertreten die OLG Karlsruhe – 1. Senat für Bußgeldsachen –, Stuttgart und Saarbrücken – letzteres tragend in dem Beschl. v. 16.3.2007 (NJW 2007, 1373) – die Auffassung, es könne bei einer “längere Zeit' nach dem Cannabiskonsum unternommenen Fahrt an der Erkennbarkeit der fortdauernden Cannabiswirkung für den Betr. fehlen, so dass aus einer festgestellten THC-Konzentration im Blut, die den analytischen Grenzwert erreicht, nur bei Vorliegen weiterer Beweisanzeichen auf ein i.S.d. § 24a Abs. 2 und 3 StVG fahrlässiges Verhalten des Betr. gefolgert werden dürfe (ebenso OLG Hamm [2. Senat für Bußgeldsachen] StraFo 2012, 287; OLG Karlsruhe [3. Senat für Bußgeldsachen], Blutalkohol 49, 108 und NZV 2011, 413; OLG Braunschweig, Blutalkohol 47, 298 – nicht tragend; OLG Zweibrücken, Blutalkohol 46, 99; OLG Frankfurt [3. Strafsenat] NStZ-RR 2007, 249; OLG Hamm [4. Senat für Bußgeldsachen] NZV 2005, 428).

[9] Die Vorlegungsfrage betrifft die rechtlichen Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 261 StPO, mithin eine Rechtsfrage (vgl. BGH, Beschl. v. 29.8.1974 – 4 StR 171/74, BGHSt 25, 365, 366; v. 13.1.1970 – 4 StR 438/69, BGHSt 23, 213, 216; Quentin, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 2. Aufl., § 121 GVG Rn 16).

[10] 2. Das OLG Oldenburg kann nicht wie beabsichtigt entscheiden, ohne von den Entscheidungen der OLG Karlsruhe – 1. Senat für Bußgeldsachen –, Stuttgart und Saarbrücken abzuweichen. Das OLG Celle hat seine entgegenstehende Rechtsauffassung mit Beschl. v. 30.4.2015 (VRS 128, 297) aufgegeben.

[11] 3. Die Vorlegungsfrage ist allerdings zu weit gefasst. Denn in der oberlandesgerichtlichen Rspr. besteht – soweit ersichtlich – Einigkeit darüber, dass derjenige fahrlässig handelt, der in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt Cannabis konsumiert hat und dennoch ein Kfz im Straßenverkehr führt, ohne sich bewusst zu machen, dass das Rauschmittel noch nicht unter den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml abgebaut ist. In diesen Fällen wird der tatrichterliche Schluss von der festgestellten THC-Konzentration im Blut auf ein insoweit fahrlässiges Verhalten übereinstimmend für zulässig gehalten. Die für die Vorlegungssache entscheidungserhebliche Divergenz betrifft ausschließlich die Fälle, in denen das Führen des Kfz nicht im zeitlichen Zusammenhang mit einem vorangegangenen Cannabiskonsum erfolgt. Darüber hinaus bedarf die Vorlegungsfrage einer Präzisierung, weil aus tatsächlichen Umständen unmittelbar nur auf Tatsachen, nicht auf eine rechtliche Bewertung geschlossen werden kann.

[12] Der Senat fasst die Vorlegungsfrage daher wie folgt:

Ist der Tatrichter in Fällen, in denen die Fahrt mit dem Kfz nicht im zeitlichen Zusammenhang mit einem vorangegangenen Cannabiskonsum erfolgt, aus Rechtsgründen gehindert, beim Fehlen gegenläufiger Beweisanzeichen aus der Feststellung einer den analytischen Grenzwert erreichenden THC-Konzentration im Blut auf ein objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten i.S.d. § 24a Abs. 2 und 3 StVG zu schließen?

[13] IV. Der Senat beantwortet die Vorlegungsfrage wie aus dem Tenor ersichtlich.

[14] Ein Kraftfahrer ist nach vorangegangenem bewussten Konsum von Cannabis verpflichtet, vor Antritt der Fahrt durch gehörige Selbstprüfung, – soweit erforderlich – nach Einholung fachkundigen Rats und notfalls, sofern eine eindeutige Beurteilungsgrundlage nicht zu erlangen ist, durch Abstandnahme von der Fahrt sicherzustellen, dass er nicht unter der Wirkung einer den analytischen Grenzwert zumindest erreichenden THC-Konzentration im Blut ein Kfz im Straßenverkehr führt (1.). Der Tatrichter ist aus Rechtsgründen nicht gehindert, beim Fehlen gegenläufiger Beweisanzeichen allein aus der Feststellung einer entsprechenden THC-Konzentration im Blut auf ein objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges ...

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