Die Versicherungswirtschaft hat den kleinen, unbedeutend klingenden Satz als eine "Steilvorlage" aufgenommen. Zwar war der betreffende Versicherer in diesem einzelnen Revisionsverfahren vor dem BGH unterlegen, aber im Nachhinein stellte sich heraus, dass die gesamte Versicherungswirtschaft von dem verlorenen Prozess auf Dauer profitieren sollte.[25] Denn als Konsequenz aus dieser Entscheidung, genauer gesagt aus dem Hinweis des BGH, "dass sich der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auf diese verweisen lassen muss", stellten immer mehr Versicherer ihr Schadenmanagement und ihre Regulierungspraxis um.

Die beiden großen Versicherer begannen als erste, kontinuierlich jeweils ein dichtes, weitverzweigtes und flächendeckend greifendes Werkstattnetz aufzubauen, dem sich nach und nach andere Versicherer anschlossen. Jetzt nahmen die Versicherer den BGH "beim Wort" und begannen, den Geschädigten konkrete, zumeist freie Werkstätten in ihrer jeweiligen Region zu benennen, die mittlere ortsübliche Stundenverrechnungssätze und damit deutlich günstigere Stundenverrechnungssätze als markengebundene Fachwerkstätten anboten und rechneten danach fiktiv ab, anstatt wie vorher zur Abrechnung nur mittlere Stundenverrechnungssätze unter Einbeziehung der Vertragswerkstätten zugrunde zu legen, die die Dekra oder andere Sachverständigenorganisationen für sie ermittelte, was ja letztlich zum Prozessverlust im Porsche-Verfahren geführt hatte. Jetzt "verwiesen" sie ihn tatsächlich an konkrete Werkstätten.

Sie interpretierten die Porsche-Entscheidung damit von vornherein so, dass sich die "günstigeren Reparaturmöglichkeiten" nicht auf günstigere markengebundene Fachwerkstätten beschränkten, sondern es zulässig sei, den Geschädigten auf noch günstigere Werkstätten mit mittleren ortsüblichen Stundenverrechnungssätzen zu verweisen. Dieses Verständnis der Porsche-Entscheidung wurde von der seinerzeit h.M. in der Rechtsprechung abgelehnt und stattdessen vertreten, dass nur auf günstigere markengebundene Fachwerkstätten verwiesen werden dürfe.[26]

Ansonsten wurde die Porsche-Entscheidung und die Möglichkeit der Versicherer, den Geschädigten bei fiktiver Abrechnung zu verweisen, nicht mehr hinterfragt. Von nun an wurden den Abrechnungen der Versicherer jedenfalls mittlere ortsübliche Stundenverrechnungssätze von konkreten Werkstätten zugrunde gelegt. Dabei blieb die Entwicklung aber nicht stehen.

[25] Zutreffend Revilla, zfs 2008, 188, wonach die Versicherer ihre Niederlage durch Kreativität in einen klaren Sieg umgewandelt haben und dadurch "in der außergerichtlichen Regulierung einen wirtschaftlichen Vorteil von erheblichem Ausmaß ziehen konnten".
[26] Vgl. die Nachweise bei Fleischmann/Hillmann/Schneider, Das verkehrsrechtliche Mandat, 2009, S. 320, Rn 153.

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