[11] "… II. Die Sprungrevision des Bekl. ist begründet. Das Urt. des VG verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit es die Bescheide des Bekl. über die Heranziehung des Kl. zum Schadensersatz wegen der Annahme eines Mitverschuldens des Dienstherrn aufgehoben hat. Die Sprungrevision des Kl. ist unbegründet, weil die Bescheide über seine Heranziehung zum Schadensersatz in vollem Umfang rechtmäßig sind."

[12] 1. Nach § 48 BeamtStG haben Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Haben mehrere Beamte gemeinsam den Schaden verursacht, haften sie als Gesamtschuldner.

[13] Bei der Betankung des mit einem Dieselmotor ausgestatteten Polizeifahrzeugs mit Superbenzin hat der Kl. i.S.v. § 48 S. 1 BeamtStG grob fahrlässig die ihm obliegende Dienstpflicht verletzt, das ihm vom Dienstherrn anvertraute dienstliche Material sorgsam zu behandeln.

[14] Der Fahrlässigkeitsbegriff bezieht sich auf ein individuelles Verhalten des Beamten. Dementsprechend muss stets unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände, d.h. der individuellen Kenntnisse und Erfahrungen des Beamten beurteilt werden, ob und in welchem Maß das Verhalten fahrlässig war. Grobe Fahrlässigkeit erfordert ein besonders schwerwiegendes und auch subjektiv schlechthin unentschuldbares Fehlverhalten, das über das gewöhnliche Maß an Fahrlässigkeit erheblich hinausgeht. Grob fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich schwerem Maße verletzt und dabei Überlegungen unterlässt und Verhaltenspflichten missachtet, die ganz naheliegen und im gegebenen Fall jedem hätten einleuchten müssen (BVerwG, Urt. v. 29.4.2004 – 2 C 2.03, BVerwGE 120, 370 <374>). Diese Voraussetzungen sind hier im Hinblick auf die Betankung des Polizeifahrzeugs mit Superbenzin erfüllt.

[15] Das VG hat für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass im Bereich des beklagten Polizeipräsidiums zum Zeitpunkt des Vorfalls ausschließlich Dieselfahrzeuge verwendet wurden und dass dem Kl. am Tag des Vorfalls auch bewusst war, mit einem Dieselfahrzeug unterwegs zu sein.

[16] Jedem Kraftfahrzeugführer ist die Bedeutung der unterschiedlichen Kraftstoffarten bekannt. Um gravierende Schäden am Kraftfahrzeug zu vermeiden, leuchtet es jedem Nutzer ein, dass beim Betanken des Fahrzeugs auf die Wahl der richtigen Zapfpistole und damit Kraftstoffart besonders zu achten ist. Dadurch dass sich der Kl. beim Tankvorgang nicht vergewissert hat, die richtige Zapfpistole gewählt zu haben, hat er diejenigen Verhaltenspflichten missachtet, die jedem Kraftfahrzeugführer beim Betanken eines Kraftfahrzeugs ohne Weiteres einleuchten. Umstände, die Anlass geben könnten, im konkreten Fall den Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht ausnahmsweise anders zu bewerten, hat das VG nicht festgestellt.

[17] 2. Der Anspruch des Dienstherrn des Kl. auf Ersatz des durch die Falschbetankung entstandenen Schadens ist nicht wegen eines Mitverschuldens des Dienstherrn nach § 254 BGB zu reduzieren. Denn der Dienstherr des Kl. war – entgegen der Annahme des VG – nicht aufgrund der allgemeinen Fürsorgepflicht (§ 45 BeamtStG) gehalten, einen Tankadapter einzubauen, der die Falschbetankung technisch ausgeschlossen und den Eintritt des Schadens gänzlich verhindert hätte.

[18] a) Wegen der Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer für den Schaden verantwortlicher Beamter (§ 48 S. 2 BeamtStG) ist dem in Anspruch genommenen Beamten die Berufung auf § 254 BGB mit der Begründung, bei der Entstehung des Schadens hätten schuldhafte Pflichtverletzungen anderer Beamter mitgewirkt, grds. verwehrt. Die gesetzliche Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung würde ihren Zweck verfehlen, wenn der in Anspruch genommene Beamte jeweils das zur Mithaftung führende Verschulden anderer Beamter dem Dienstherrn als dessen Mitverschulden entgegenhalten könnte. Denn bei Anerkennung eines Mitverschuldens wäre der Staat dann, weil er durch Verschulden mehrerer Beamter geschädigt worden ist, wegen der Reduzierung seines Schadensersatzanspruchs schlechter gestellt als bei schuldhafter Schadenszufügung durch einen einzigen Beamten (BVerwG, Urt. v. 23.10.1969 – 2 C 80.65, BVerwGE 34, 123 <131 f.>).

[19] Die Anwendung von § 254 Abs. 2 BGB kommt aber dann ausnahmsweise in Betracht, wenn dieser andere Beamte den Schaden dadurch schuldhaft mitverursacht hat, dass er eine Dienstpflicht vernachlässigt hat, zu deren Erfüllung namens des Dienstherrn – z.B. aufgrund der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht – er gerade gegenüber dem in erster Linie den Schaden verursachenden Beamten verpflichtet gewesen ist (BVerwG, Urteile v. 29.1.1976 – 2 C 55.73, BVerwGE 50, 102 <109> und v. 29.8.1977 – 6 C 68.72 – Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 23 S. 24).

[20] b) Der Dienstherr des Kl. war nicht aufgrund der Fürsorgepflicht gehalten, durch technische oder organisatorische Vorkehrungen (z.B. Einbau eines Tankadapt...

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