" … 1. Die im Rahmen des Mitverschuldens … zu beweisenden straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichtverletzungen der Kl. (der Radfahrerin) bestehen, … keineswegs nur in einem Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot (§ 1 Abs. 2 StVO). Vielmehr hat die Kl. unstreitig – verbotswidrig und ohne rechtfertigenden, entschuldigenden oder wenigstens nachvollziehbaren Grund – einen (gemeinsamen) linken Geh- und Radweg ohne die Zeichen 237, 240 oder 241 benutzt, § 2 Abs. 4 S. 4 StVO. Zudem ist sie – von diesem Radweg kommend – auf eine Straße aufgefahren, ohne jegliche Gefährdung des fließenden Verkehrs auszuschließen, § 10 S. 1 StVO. Sie hätte dagegen wie ein Fußgänger warten und dem einmündenden Fahrzeugverkehr den Vorrang einräumen müssen, weil sich weder auf dem gegenüberliegenden Gehweg ein Radweg fortsetzte (Zeichen 239), noch eine Markierung auf der Fahrbahn derartiges vermuten ließ. … Der Senat hält bei der … Abwägung die von den Bekl. angenommene Haftungsverteilung von drei Vierteln zulasten der Kl. für sachgerecht. … Mit dem unstreitigen Fahrverhalten der Kl. haben die Bekl. Tatumstände dargelegt, nach denen die Schäden zu einem erheblichen Teil von der Kl. mitverschuldet worden sind, so dass der eigene Verursachungsbeitrag und Verschuldensanteil geringer veranschlagt werden dürfe (BGH v. 13.2.2007 – VI ZR 58/06, MDR 2007, 884 = NJW-RR 2007, 1077; … ), und dieses Mitverschulden nach Art und Ausmaß der Sorgfaltspflichtverletzung im konkreten Fall so schwer wiege, dass eine Anspruchskürzung auf ein Viertel … gerechtfertigt sei. Eine vollständige und genaue Prüfung des beiderseitigen Fahrverhaltens ( … BGH v. 21.11.2006 – VI ZR 115/05, MDR 2007, 399 f. = NJW 2007, 506 f. v. 7.6.1988 – VI ZR 203/87, MDR 1988, 952 = NJW-RR 1988, 1177) verlangt, auch die gefahrene Geschwindigkeit der Kl. zu berücksichtigen: Mit einer Geschwindigkeit von mindestens 18 km/h legte sie in der Reaktionszeit (0,8 Sekunden) des Bekl. zu 1) bereits 4 Meter zurück, so dass dessen Möglichkeiten, den Zusammenstoß zu vermeiden äußerst eingeschränkt waren, zumal der Zeitpunkt der Reaktionsaufforderung kaum feststellbar ist. Andererseits hat der Bekl. zu 1) – ehrlicher Weise eingestanden – überhaupt keine Aufmerksamkeit auf den von rechts kommenden Verkehr gerichtet. Der Senat hält nach umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalls (BGH, Urt. v. 12.6.2015 – 10 U 3981/14, juris Rn 49, m.w.N.; Urt. v. 31.7.2015 – 10 U 4377/14, juris Rn 55, m.w.N.) wegen der schwerwiegenden Verletzungen straßenverkehrsrechtlicher Sorgfaltspflichten seitens der Kl. deren überwiegende Haftung für notwendig (vgl. hierzu OLG Hamm v. 23.5.1986 – 9 U 245/85, VersR 1987, 1246). Sie war – wie ein Fußgänger – gegenüber Fahrzeugführern wartepflichtig, da weder § 9 Abs. 3 S. 2 StVO noch § 26 StVO einschlägig sind und die Vorfahrtsregeln nur gegenüber Fahrzeugen, nicht jedoch gegenüber Fußgängern bestehen (vgl. Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, StVR, 24. Aufl., § 8 Rn 3). Mangels eines Radweges auf der Fahrbahn ist auch die Rspr. des BGH über die Vorfahrtsberechtigung des in gegensätzlicher Richtung auf dem Radweg der Vorfahrtsstraße fahrenden Radfahrers (vgl. BGH v. 15.7.1986 – 4 StR 192/86, MDR 1986, 951 = NJW 1986, 2651) nicht einschlägig. Dem Bekl. zu 1) liegt demgegenüber nur ein geringer Sorgfaltsverstoß zur Last. … "

zfs 5/2017, S. 260 - 261

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