" … II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das AG der Beschuldigten gem. § 111a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen und die Beschlagnahme des Führerscheins angeordnet. Die Angekl. ist eines Vergehens des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gem. § 142 Abs. 1 StGB dringend verdächtig. Sie hat, nach anfänglichem Bestreiten, durch den schriftsätzlichen Vortrag ihrer Verteidigerin eingeräumt, den Pkw der Geschädigten beim Einparken mit dem durch sie gesteuerten Fahrzeug berührt zu haben. Ferner hat die Zeugin Z im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung glaubhaft angegeben, dass sie einen Schlag beziehungsweise Knall gehört und anschließend aus einer Entfernung von etwa vier bis fünf Metern gesehen habe, wie eine Frau beim Einparken mit ihrem Fahrzeug gegen einen geparkten Pkw gestoßen sei. Insgesamt habe die Fahrerin des unfallverursachenden Fahrzeugs zweimal die Anstoßstelle kontrolliert und sei dann weggefahren."

Entsprechend dem in der Akte befindlichen Sachverständigengutachten belaufen sich die Reparaturkosten am Pkw des Geschädigten auf 1.544,94 EUR, welche entsprechend dem Vortrag der Verteidigerin der Angekl. inzwischen vollständig beglichen wurden. Dass die Verteidigung ohne nähere Begründung behauptet, es bestehe die Möglichkeit einer etwaigen Vorschädigung, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Selbiges gilt im Hinblick auf die Ausführungen zum Schaden i.S.v. § 142 StGB. Nach st. Rspr. sei, so die Verteidigung, der Tatbestand erst bei Überschreiten einer Schadensgrenze von 750 EUR erfüllt. Dies ist jedoch unzutreffend, da nach einhelliger Auffassung die Wertgrenze für Bagatellschäden bereits bei 25 EUR liegt (Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 142 Rn 11 m.w.N.).

Nach Aktenlage ist auch vom Vorliegen eines Regelfalles für eine Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB auszugehen, da die Angekl. beim unerlaubten Entfernen vom Unfallort zumindest wissen konnte, dass ein bedeutender Fremdsachschaden entstanden war. Ob ein solcher bereits ab 1.300 EUR (LG Krefeld, Beschl. v. 23.3.2016 – 21 Qs 47/16) oder infolge der zwischenzeitlichen Preisentwicklung erst ab 1.500 EUR (LG Braunschweig, Beschl. v. 3.6.2016 -8 Qs 113/16) anzunehmen ist, war vorliegend aufgrund der festgestellten Reparaturkosten i.H.v. 1.544,94 EUR nicht entscheidungserheblich. Ferner ist es in subjektiver Hinsicht für die Annahme eines Regelfalls nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ausreichend, wenn der Täter die objektiven Umstände erkennen konnte, die einen bedeutenden Sachschaden begründen. Seine auf dieser Grundlage vorgenommene Betragskalkulation ist demgegenüber, unabhängig von seinen persönlichen Kenntnissen, unmaßgeblich (OLG Naumburg, Urt. v. 20.12.1995 – 2 Ss 366/95; LK-StGB/Geppert, 12. Aufl. 2007, § 69 Rn 82; a.A. Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 69 Rn 40; Lenhart in NJW 2004, 192). Einem Laien sind Kfz-spezifische Kenntnisse regelmäßig nicht zu Eigen, so dass eine Anknüpfung an rein objektive Begebenheiten in Form einer Kalkulationsgrundlage zwingend erscheint und insoweit individuelle betragsmäßige Wertvorstellungen des Täters außen vor bleiben müssen. Der Gesetzgeber selbst hat sich bei der Einführung der Regelvermutung bezüglich der Fahrerlaubnisentziehung darauf beschränkt einen bislang bereits von der Rspr. erarbeiteten Wertmaßstab im Gesetz zu verankern (BTDrucks IV/651, S. 18). Damit steht die Auffassung der Kammer auch im Einklang zur Entstehungsgeschichte des § 69 Abs. 2 StGB.

Das objektive Schadensbild, welches die ausschließliche Kalkulationsgrundlage für das später in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten über die Schadenshöhe bildete (dazu Krumm, NJW 2012, 829), hat die Angekl. vorliegend durch ihre zweimalige Nachschau an der Anstoßstelle vollständig erfasst, beziehungsweise hätte dies durch eine entsprechend gründliche Inaugenscheinnahme tun können. Wie sich aus den Lichtbildern des Fahrzeugs des Geschädigten (Bl. 22 f. d.A.) ergibt, waren Beschädigungen an der Stoßstange in Form von Lackkratzern und einer Beeinträchtigung des dort befindlichen Abstandssensors sowie das veränderte Spaltmaß eindeutig erkennbar. Damit ist auch ausreichend belegt, dass es sich bei der Einlassung der Angekl., sie habe infolge der Verschmutzungen am Fahrzeug keinen Schaden feststellen können, um eine reine Schutzbehauptung handelt. Dass die unfallaufnehmenden Polizeibeamten die voraussichtliche Schadenshöhe lediglich mit 500 EUR bezifferten, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nur wenn vor Ort das tatsächliche Schadensbild nicht vollständig objektiv erkennbar ist, kann die Einschätzung der unfallaufnehmenden Polizeibeamten als Indiz für die fehlende Erheblichkeit des erkennbaren Schadens herangezogen werden (Weiland in Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, 1. Aufl. 2016, § 69 StGB, Rn 53). Der Umstand, dass die Angekl. über keine Einträge im Bundeszentralregister verfügt und es im Straßenverkehr bislang keine Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Alkohol oder Betäubungsmitte...

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