1. Die Auswirkungen einer Eintragung eines in Deutschland verkauften Kfz in eine aufgrund des Beschl. des Rates der Europäischen Union v. 12.6.2007 (Beschl. 2007/533/JI im Amtsblatt der Europäischen Union v. 7.8.2007 – L205/63) erfolgten Aufnahme in eine Fahndungsliste als Rechtsmangel macht die Entscheidung deutlich. Der Beschl. schloss an das Schengener Informationssystem vom 14.6.1985 (Schengen I und SIS I) an, dessen wesentliche Folge der Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen der Mitgliedsstaaten bildete. Das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (im Folgenden SIS II) sollte die operative Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justizbehörden unterstützen (Erwägungsgrund 6). Unterschieden wurden die Eingabe von Personen- und Sachfahndungsausschreibungen, wobei die Ausschreibung des Datensatzes im SIS II die Ergreifung spezifischer Maßnahmen ermöglichen sollte (Kap. I Art. 3). Wesentliches Element des SIS II ist die am zentralen Sitz geführte Datenbank, die mit einem jeweiligen nationalen System jedes einzelnen Mitgliedsstaates kommuniziert (Kap. I Art. 4). Neben umfangreichen Datenkategorien, die sich auf Eintragungen von Personen beziehen (Kap. IV Art. 20–25; Kap. V Art. 26–33), wird die Ausschreibung zur Sachfahndung, zur Sicherstellung oder Beweissicherung in Strafverfahren in Kap. IX umschrieben:

Art. 38

Ausschreibungsziele und -bedingungen

(1) Daten in Bezug auf Sachen, die zur Sicherstellung oder Beweissicherung in Strafverfahren gesucht werden, werden in das SIS II eingegeben.

(2) Es werden folgende Kategorien von leicht identifizierbaren Sachen einbezogen.

a) Kfz mit einem Hubraum von mehr als 50 ccm, Wasserfahrzeuge und Luftfahrzeuge;

b) Anhänger mit einem Leergewicht von mehr als 750kg, Wohnwagen, industrielle Ausrüstungen, Außenbordmotoren und Container;

c) Schusswaffen;

d) gestohlene, unterschlagene oder sonst abhanden gekommene Blankodokumente;

e) gestohlene, unterschlagene, sonst abhanden gekommene oder für ungültig erklärte ausgefüllte Identitätsdokumente wie z.B. Pässe, Personalausweise, Führerscheine, Aufenthaltstitel und Reisedokumente;

f) gestohlene, unterschlagene, sonst abhanden gekommene oder für ungültig erklärte Kfz-Zulassungsbescheinigungen und Kfz-Kennzeichen;

g) Banknoten (Registriergeld);

h) gestohlene, unterschlagene, sonst abhanden gekommene oder für ungültig erklärte Wertpapiere und Zahlungsmittel wie Schecks, Kreditkarten, Obligationen, Aktien und Anteilspapiere.

(3) Unbeschadet der Bestimmungen des Instruments zur Einrichtung der Verwaltungsbehörde werden die technischen Vorschriften für die Eingabe, Aktualisierung, Löschung und Abfrage der Daten nach Abs. 2 gem. dem in Art. 67 vorgesehenen Verfahren festgelegt.

Artikel 39

Maßnahmen aufgrund einer Ausschreibung

(1) Ergibt eine Abfrage, dass eine Sachfahndungsausschreibung besteht, so setzt sich die aufgreifende mit der ausschreibenden Stelle in Verbindung, um erforderliche Maßnahmen abzustimmen. Zu diesem Zweck können nach Maßgabe dieses Beschlusses auch personenbezogene Daten übermittelt werden.

(2) Informationen nach Abs. 1 werden im Wege des Austauschs von Zusatzinformationen übermittelt.

(3) Der aufgreifende Mitgliedstaat ergreift Maßnahmen nach Maßgabe seines nationalen Rechts.

Obwohl Sachausschreibungen nicht länger als für den Zweck, für den sie eingetragen worden sind, gespeichert werden sollen (Kap. X Art. 45 Abs. 1), können mit Verlängerungsmöglichkeit Sachausschreibungen nach Art. 38 bis zu 10 Jahren gespeichert werden (Art. 45 Abs. 3 und 4).

2. Die fortbestehende Eintragung des Fahrzeugs in der Fahndungsliste nach SIS II begründet für den Kl. die Gefahr einer Beschlagnahme nach dem jeweiligen nationalen Recht des "aufgreifenden" Mitgliedsstaates (Art. 39 Abs. 3). Bereits die Eintragung in die Fahndungsliste des Schengener Informationssystems begründet die Gefahr der Beschlagnahme des Fahrzeugs und damit die dauerhafte Beeinträchtigung des Gebrauchs der Kaufsache (vgl. OLG München, Urt. v. 2.5.2015 – 21 U 3016/15, BeckRS 2016, 08995, Rn 18; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.2.2015 – I-22 U 159/14, Rn 50; OLG Köln, Urt. v. 25.3.2014 – 3 U 185/13, NJW-RR 2014, 1080, 1081).

Dieser Gefahrenzustand, in dem sich der Käufer des Fahrzeuges mit Eintragung in der SIS II-Fahndungsliste befindet, stellt einen Rechtsmangel dar, da Rechte Dritter i.S.d. § 435 BGB auch öffentlich-rechtliche Befugnisse wie eine staatliche Sicherstellung oder Beschlagnahme sind, die den Verfall oder die Einziehung zur Folge haben können (vgl. BGH NJW 2004, 1802; OLG Hamm NJW-RR 2012, 1441 f.; OLG Düsseldorf a.a.O. Rn 44 ff. und 32). Dass die Beschlagnahme durch eine ausländische Behörde, gestützt auf die Eintragung in der Fahndungsliste erfolgt ist, schließt deren Subsumtion als Beschlagnahme mit der Folge des Verlustes der Gebrauchsmöglichkeit i.S.d. § 435 BGB nicht aus. Tatbestandsmerkmale einer inländischen Rechtsnorm – Rechte Dritter – können im Wege der Substitution durch Rechtsvorgänge nach ausländischem Recht erfüllt werden, wenn sie – wie hier...

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