"I. Die gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der StA, die bereits mit ihrer Einlegung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurde, ist begründet."

1. Aufgrund der Feststellungen des AG kam gem. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. lfd. Nr. 11.3.6 der Anl. zu § 1 Abs. 1 BKatV die Anordnung eines Regelfahrverbots wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers als Regelfall in Betracht. Dies hat das AG zwar nicht verkannt, jedoch von der Anordnung eines Fahrverbots bei gleichzeitiger Erhöhung des als Regelsatz vorgesehenen Bußgeldes von 160 EUR auf 320 EUR mit der Begründung abgesehen, der Betr., der als Kleinunternehmer – neben weiteren Kaufberatern – Kundenbesuche im gesamten Bundesland zu erledigen habe, habe mit erheblichen “Ertragseinbußen’ zu rechnen, falls ein Fahrverbot für die Dauer 1 Monats vollzogen würde. Er erwarte für diesen Fall einen “wirtschaftlichen Schaden von ca. 40.000 bis 60.000 EUR’. Seine Kundenbesuche könnten auch nicht von anderen Mitarbeitern wahrgenommen werden. Zum einen sei die personelle Situation ohnehin angespannt, zum anderen hätten diese keine Einsicht in die den Geschäften zugrunde liegenden Kalkulationsgrundlagen. Eine Anstellung eines Fahrers sei ebenfalls nicht möglich. Beim Betr. liege nämlich seit seiner Kindheit eine sog. Reisekrankheit vor, so dass er “als Beifahrer’ unter massiver Übelkeit, auch in Form von Erbrechen, leide.

2. Diese Begründung, mit der das AG von der Verhängung eines Fahrverbots gegen den Betr. abgesehen hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Zwar folgt aus § 4 Abs. 1 S. 1 BKatV nicht, dass ausnahmslos ein Fahrverbot zu verhängen wäre. Vielmehr steht dem Tatrichter ein Ermessensspielraum zu, um Verstößen im Straßenverkehr mit der im Einzelfall angemessenen Sanktion zu begegnen (BVerfG NJW 1996, 1809). Die Frage, ob die Würdigung der Tat und der Persönlichkeit des Täters besondere Umstände ergibt, nach denen es ausnahmsweise der Warn- und Denkzettelfunktion eines Fahrverbots im Einzelfall nicht bedarf, liegt grds. in seinem Verantwortungsbereich. Der Tatrichter hat innerhalb des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums die Wertungen nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen. Seine Entscheidung kann vom Rechtsbeschwerdegericht deshalb nur daraufhin überprüft werden, ob er sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, weil er die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt, die Grenzen des Ermessens durch unzulässige Erwägungen überschritten und sich nicht nach den Grundsätzen und Wertmaßstäben des Gesetzes gerichtet hat. In Zweifelsfällen hat das Rechtsbeschwerdegericht die Bewertung des Tatrichters zu respektieren, und zwar auch dann, wenn es selbst hinsichtlich der Frage des Fahrverbots zu einem abweichenden Ergebnis gelangte.

b) Diesen Maßstäben genügt das angefochtene Urteil nicht. Einen Ausnahmefall für ein Absehen vom Fahrverbot können zwar Härten ganz außergewöhnlicher Art, wie z.B. drohender Verlust des Arbeitsplatzes oder der Verlust der sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage, begründen (vgl. nur OLG Bamberg DAR 2011, 401). Im vorliegenden Fall ist eine derartige Härte jedoch nicht gegeben.

aa) Die Beweiswürdigung ist bereits lückenhaft, was die Frage anbelangt, ob es dem Betr. nicht durch die Inanspruchnahme eines Fahrers oder die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich sein soll, seinen Geschäften auch während der Vollstreckung des Fahrverbots nachzugehen. Zum einen beruft sich das AG auf eine “ärztliche Bescheinigung vom 13.7.2015’, ohne auch nur ansatzweise den Inhalt des Attests wiederzugeben. Der Senat kann daher nicht beurteilen, welche Diagnose der Arzt aufgrund welcher Erhebungen gestellt hat. Insb. bleibt offen, ob die bescheinigte “Erkrankung’ lediglich aufgrund der eigenen Angaben des Betr. festgestellt oder durch objektive, wissenschaftlichen Standards gerecht werdende Befunderhebungen auch belegt wurde. Ferner ist das konkrete Erscheinungsbild der Erkrankung unklar. Insb. wird nicht dargetan, weshalb es dem Betr. möglich sein soll, selbst als Fahrer zu reisen, nicht aber als Beifahrer. Des Weiteren ergibt sich nicht, ob dies auch für öffentliche Verkehrsmittel gelten würde. Wenn das AG der behaupteten Erkrankung für ein Absehen vom Regelfahrverbot schon maßgebliche Bedeutung beimessen wollte, so hätte dies näherer Darlegung bedurft, um dem Senat die Nachprüfung zu ermöglichen.

bb) Allerdings kommt es hierauf im Ergebnis nicht entscheidend an. Denn selbst bei Zugrundelegung der geltend gemachten “Reisekrankheit’ kann von einer außergewöhnlichen Härte, die ein Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen würde, nicht die Rede sein. Das AG stellt nämlich gerade keine konkrete Existenzgefährdung als Folge der Verhängung eines Fahrverbots für die Dauer von 1 Monat fest, sondern beruft sich lediglich darauf, dass der Betr. für diesen Fall einen “wirtschaftlichen Schaden i.H.v. ca. 40.000 bis 60.000 EUR erwarte’. Unter Zugrundelegung dieser Fest...

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