StVG § 7 Abs. 1

Leitsatz

1. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht.

2. Steht der Brand eines geparkten Kfz in einem ursächlichen Zusammenhang mit dessen Betriebseinrichtungen, ist der dadurch verursachte Schaden an Rechtsgütern Dritter i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG regelmäßig der Betriebsgefahr zuzurechnen.

BGH, Urt. v. 21.1.2014 – VI ZR 253/13

Sachverhalt

Der Kl. macht gegen die Bekl. Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung seines Kfz durch einen Brand des Kfz der Bekl. zu 2) geltend. Am Nachmittag vor Ausbruch des Brands stellte die Bekl. zu 2) ihren bei der Bekl. zu 1) haftpflichtversicherten Pkw in der Tiefgarage des von ihr mitbewohnten Hausanwesens ab. Der Kl. parkte seinen Pkw neben dem Fahrzeug der Bekl. zu 2). Am frühen Morgen zwei Tage später kurz nach 1.00 Uhr geriet der Pkw der Bekl. zu 2) aufgrund Selbstentzündung durch einen technischen Defekt in Brand, wodurch auch der Pkw des Kl. beschädigt wurde. Das AG hat die Klage auf Ersatz des an dem Pkw des Kl. entstandenen Schadens abgewiesen. Auf die Berufung des Kl. hat das LG die Bekl. in Abänderung der angefochtenen Entscheidung verurteilt. Mit der zugelassenen Revision beantragen die Bekl. die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Revision hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

[4] "Das BG hat mit Recht einen Schadensersatzanspruch des Kl. gegen die Bekl. aus § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG bejaht."

[5] 1. Voraussetzung des § 7 Abs. 1 StVG ist, dass eines der dort genannten Rechtsgüter “bei dem Betrieb eines Kfz‘ verletzt bzw. beschädigt worden ist. Nach der st. Rspr. des erkennenden Senats ist dieses Haftungsmerkmal entspr. dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kfz erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann “bei dem Betrieb‘ eines Kfz entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kfz ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kfz (mit)geprägt worden ist (vgl. Senatsurt. v. 5.7.1988 – VI ZR 346/87, BGHZ 105, 65, 66 f.; v. 19.4.1988 – VI ZR 96/87, VersR 1988, 641; v. 6.6.1989 – VI ZR 241/88, VersR 1989, 923, 924 f.; v. 3.7.1990 – VI ZR 33/90, VersR 1991, 111, 112; v. 27.11.2007 – VI ZR 210/06, VersR 2008, 656 Rn 7; v. 31.1.2012 – VI ZR 43/11, BGHZ 192, 261 Rn 17 und v. 26.2.2013 – VI ZR 116/12, VersR 2013, 599 Rn 15). Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist (vgl. Senatsurt. v. 3.7.1962 – VI ZR 184/61, BGHZ 37, 311, 315 ff.; v. 27.1.1981 – VI ZR 204/79, BGHZ 79, 259, 262 f.; v. 6.6.1989 – VI ZR 241/88, a.a.O., 925; v. 3.7.1990 – VI ZR 33/90, a.a.O.; v. 26.4.2005 – VI ZR 168/04, VersR 2005, 992, 993; v. 31.1.2012 – VI ZR 43/11, a.a.O. und v. 26.2.2013 – VI ZR 116/12, a.a.O.). Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht (vgl. Senatsurt. v. 11.7.1972 – VI ZR 86/71, VersR 1972, 1074; v. 10.10.1972 – VI ZR 104/71, VersR 1973, 83; v. 10.2.2004 – VI ZR 218/03, VersR 2004, 529, 531; v. 27.11.2007 – VI ZR 210/06, a.a.O. Rn 9 und v. 26.2.2013 – VI ZR 116/12, a.a.O.).

[6] 2. Nach diesen Grundsätzen hat das BG entgegen der Auffassung der Revision die Beschädigung des Fahrzeugs des Kl. mit Recht der vom Fahrzeug der Bekl. zu 2) ausgehenden Betriebsgefahr zugerechnet. Der Schaden am Fahrzeug des Kl. stand in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit dem Brand des Kfz der Bekl. zu 2), der nach den Feststellungen des BG durch den technischen Defekt einer Betriebseinrichtung dieses Fahrzeugs verursacht worden ist. Dass Dritte durch den Defekt einer Betriebseinrichtung eines Kfz an ihren Rechtsgütern einen Schaden erleiden, gehört zu den spezifischen Auswirkungen derjenigen Gefahren, für die die Haftungsvorschrift des § 7 StVG den Verkehr schadlos halten will. Dabei macht es rechtlich keinen Unterschied, ob der Brand – etwa durch einen Kurzschluss der Batterie – unabhängig vom Fahrbetrieb selbst vor, während oder nach einer Fahrt eintritt. Wollte man die Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG – wie die Revision meint – auf Schadensfolgen begrenzen, die durch den Fahrbetrieb selbst und dessen Nachwirkungen verursacht worden sind, liefe die Haftung in all den Fällen leer...

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