ZPO § 91 Abs. 1

Leitsatz

1. Die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte.

2. Die Erstattungsfähigkeit solcher Kosten setzt nicht zusätzlich voraus, dass das Privatgutachten im Rahmen einer ex-post-Betrachtung tatsächlich die Entscheidung des Gerichts beeinflusst hat.

BGH, Beschl. v. 20.12.2011 – VI ZB 17/11

Sachverhalt

Im dem Rechtsstreit vor dem AG über eine Schadensersatzforderung des Kl. aus einem Verkehrsunfall i.H.v. insgesamt 1.245,31 EUR ging es um die entscheidungserhebliche Frage, ob die vom Kl. geltend gemachten Schäden an seinem Fahrzeug auf einen Zusammenstoß mit dem von der Bekl. zu 1 gefahrenen und bei der Bekl. zu 3 haftpflichtversicherten Fahrzeug des Bekl. zu 2 zurückzuführen sind.

Das Gutachten des Gerichtssachverständigen v. 31.7.2007 gelangte zu dem Ergebnis, die tendenziell frontseitig und im Eckumfassungsbereich am rechten äußeren Vorderstoßfänger des Fahrzeugs des Bekl. zu 2 befindlichen Beschädigungen seien einem "Streifen im Anprallkontakt" mit der linken Heckseite des Fahrzeugs des Kl. "ohne weiteres zuzuordnen". Aus kraftfahrttechnischer Sicht sei "auszuschließen", dass die Gesamtheit der dokumentierten Beschädigungen am Beklagtenfahrzeug allein aus der Kollision mit der Straßenlaterne hervorgegangen sei. Nachdem das AG im Beschl. v. 11.10.2007 ausgeführt hatte, es sei nicht ersichtlich, dass der Gerichtssachverständige "bei der Beantwortung der Beweisfragen zentrale Aspekte in Hinsicht auf die jeweiligen Höhenlagen der jeweiligen Beschädigungen zu Lasten der Bekl. außer Acht gelassen hätte", beauftragten die Bekl. einen Privatsachverständigen mit einer gutachterlichen Stellungnahme. In seinem Gutachten v. 5.12.2007, das die Bekl. zu den Akten reichten, gelangte der Privatsachverständige zu dem Ergebnis, dass der Schaden an der vorderen rechten Ecke des Beklagtenfahrzeugs mit dem Schaden im linken Heckbereich des Klägerfahrzeugs nicht kompatibel sei. Das AG gab der Klage nach Anhörung des Bekl. und des Gerichtssachverständigen statt.

Im Berufungsverfahren hat das LG einen Beweisbeschl. erlassen, wonach der gerichtliche Sachverständige sein Gutachten im Termin zur mündlichen Verhandlung erläutern und zu dem seitens der Bekl. vorgelegten Privatgutachten Stellung nehmen solle. Im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme v. 14.1.2009 vor der Berufungskammer nahm der Gerichtssachverständige u.a. Stellung zu dem Privatgutachten, wobei er auf einem mitgebrachten Laptop eine Simulation präsentierte, die ihn zu der Aussage veranlasste, dass die vom Privatsachverständigen in seinem Gutachten v. 5.12.2007 mittels Ablaufanalysen nachgewiesene Variante, wonach auch die zweite Anstoßstelle am Beklagenfahrzeug aus der Kollision mit der Laterne resultiere, physikalisch unmöglich sei. Das BG räumte den Parteien sodann die Möglichkeit ein, bis 4.2.2009 zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Daraufhin haben die Bekl. ein ergänzendes Gutachten des Privatsachverständigen v. 9.2.2009 vorgelegt, in welchem dieser zu den Ausführungen des Gerichtssachverständigen im Verhandlungstermin v. 14.1.2009 Stellung bezog. Mit rechtskräftigem Endurt. v. 18.2.2009 hat das BG in Abänderung des erstinstanzlichen Urt. die Klage abgewiesen und dem Kl. die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Rechtspfleger des AG die Festsetzung der von den Bekl. geltend gemachten Kosten für das Privatgutachten i.H.v. 1.976,83 EUR und für dessen Ergänzung i.H.v. weiteren 1.955,77 EUR abgelehnt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das LG zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde der Bekl. führte zur Zurückverweisung an das LG.

2 Aus den Gründen:

[8] "… 1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, eine Erstattung der Kosten eines Privatgutachtens könne im Rahmen des § 91 ZPO nur dann in Betracht kommen, wenn das im Rechtsstreit vorgelegte Gutachten den Verlauf des Rechtsstreits zugunsten der das Privatgutachten vorlegenden Partei beeinflusst habe. Danach reiche es für die Erstattungsfähigkeit nicht aus, dass das Privatgutachten eingeholt werde, um ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu widerlegen; erstattungsfähig seien diese Kosten des Privatgutachtens nur dann, wenn der Rechtsstreit durch die Vorlage des Gutachtens nachweislich gefördert, insb. der Verlauf des Rechtsstreits zugunsten der vorlegenden Partei beeinflusst worden sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Der erstinstanzliche Richter habe mitgeteilt, dass für seine Entscheidung das in dieser Instanz vorgelegte Privatgutachten keine Bedeutung gehabt habe. Dies werde im Übrigen auch daraus erkennbar, dass es keinen Eingang in die Urteilsgründe gefunden habe. Das im Berufungsverfahren eingeholte Privatgutachten sei von der Kammer nicht berücksichtigt worden. Es sei mit einem nachgelassenen Schriftsatz nach dem Verhandlungs- und B...

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