aa) Grundzüge

Von der materiell-rechtlichen Risikozuweisung zu unterscheiden ist die Frage, ob der Versicherungsnehmer die zum äußeren Bild gehörenden genannten vier Minimaltatsachen bewiesen hat. Dafür ist der nach allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozesses zu führende Vollbeweis erforderlich.[14] Nicht ausreichend ist die Anzeige des Diebstahls bei der Polizei.[15] Hat der Versicherungsnehmer den Beweis des äußeren Bildes einer Entwendung durch glaubhafte Zeugenaussagen und glaubwürdige Zeugen geführt, hat er den ihm obliegenden Beweis einer bedingungsgemäßen Entwendung erbracht. Zweifel an seiner eigenen Glaubwürdigkeit sind dann erst bei der Frage von Bedeutung, ob der Versicherer Tatsachen bewiesen hat, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung des Versicherungsfalls nahelegen.[16] Kann der Versicherungsnehmer den Beweis für das äußere Erscheinungsbild eines Versicherungsfalls jedoch nicht mit den in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Beweismitteln führen, können schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit schon auf der Ebene des äußeren Bildes Bedeutung erlangen.

bb) Die Anhörung des Versicherungsnehmers

Der Tatrichter kann den Behauptungen des Versicherungsnehmers im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO u.U. auch dann glauben, wenn dieser ihre Richtigkeit sonst nicht beweisen kann. Voraussetzung dafür aber ist, dass der Versicherungsnehmer glaubwürdig ist.[17] Dabei ist zugrunde zu legen, dass nicht der unredliche, sondern der redliche Versicherungsnehmer der Regelfall ist. Von diesem Grundsatz kann aber nicht mehr ausgegangen werden, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die ihn unglaubwürdig erscheinen lassen oder sich schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und an der Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptung einer Entwendung aufdrängen. Solche Tatsachen müssen feststehen, d.h. sie müssen unstreitig oder bewiesen sein. Bloße Verdachtsmomente reichen hingegen nicht aus.[18] Denn es geht ausschließlich um die Frage, ob dem Versicherungsnehmer als einer redlichen Persönlichkeit die gegebene Sachdarstellung geglaubt werden kann, nicht hingegen um den vom Versicherer zu führenden Gegenbeweis der Vortäuschung eines Diebstahls mit erheblicher Wahrscheinlichkeit.[19] Kann der Versicherungsnehmer den Beweis nicht erbringen, kann der Tatrichter im Rahmen freier Beweiswürdigung des Verhandlungsergebnisses seinen Behauptungen und Angaben aber bei dessen Anhörung gem. § 141 ZPO folgen und hierauf seine Überzeugung gründen, wenn der Versicherungsnehmer in Beweisnot und glaubwürdig ist.[20] Gibt es aufgrund feststehender Tatsachen begründete Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit, kann der Tatrichter von einer Anhörung absehen.[21] Die persönliche Anhörung kommt allerdings nur in Betracht, wenn er keine Zeugen hat oder die Zeugen die in ihr Wissen gestellten Tatsachen nicht bestätigen. Dem ist eine berechtigte Aussageverweigerung der Zeugen gleichzusetzen. Ein solches Aussageverweigerungsrecht berechtigt den Versicherungsnehmer aber nicht, den Zeugen erst gar nicht zu benennen oder auf ihn zu verzichten.[22] Ein Versicherungsnehmer, der Zeugen hat, befindet sich nicht in Beweisnot.[23] Verfahrensfehlerhaft ist es daher, wenn ein BG von einer erneuten Vernehmung eines Zeugen absieht, weil es den Kläger persönlich angehört hat.[24] Ist ein Zeuge für das Abstellen und spätere Nichtwiederauffinden des Fahrzeugs angeboten worden, so kann sich der Tatrichter nicht auf eine Anhörung des Versicherungsnehmers beschränken. Vielmehr muss er dem Beweisangebot durch Vernehmung des benannten Zeugen nachgehen.[25] Nicht ausgeschlossen ist es aber, dass nach der Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen der Versicherungsnehmer zusätzlich persönlich gehört wird. Zur Ergänzung der Beweisaufnahme kann er immer vernommen werden.[26] Den Versicherungsnehmer als Partei gem. § 448 ZPO von Amts wegen kann das Gericht nur vernehmen, wenn bereits "einiger Beweis" erbracht und der Versicherungsnehmer uneingeschränkt glaubwürdig ist.[27]

[14] Senatsurt. v. 22.9.1999 a.a.O. unter I.2.; v. 17.3.1993 a.a.O. unter 1a.
[15] Römer, NJW 1996, 2331 m.w.N.
[16] Senatsurt. v. 22.9.1999 a.a.O., v. 4.11.1998, a.a.O. unter 2a, je m.w.N.
[17] Senatsurt. v. 19.2.1997, a.a.O. und v. 21.2.1996 – IV ZR 300/94, BGHZ 132, 79, 81.
[18] Senatsurt. v. 26.3.1997 – IV ZR 91/96, VersR 1997, 733 unter II.1.b und v. 21.2.1996, a.a.O.
[19] Senatsurt. v. 24.4.1991 – IV ZR 172/90, VersR 1991, 917 unter 2.
[20] St. Rspr., vgl. nur Senatsurt. v. 21.2.1996 – IV ZR 300/94, BGHZ 132, 79, 82.
[21] St. Rspr. der OLG, vgl. nur OLG Celle, Urt. v. 23.12.2004, zfs 2005, 294 unter 2.b.
[22] Knappmann, NVersZ 1998, 107 m.w.N.
[24] So geschehen in dem Fall, der dem Beschluss des Senats v. 10.11.2010 – IV ZR 122/09, VersR 2011, 369 zugrunde lag.
[25] Senatsbeschl. v. 10.11.2010 – IV ZR 122/09, VersR 2011, 369 Rn 10.
[26] Knappmann, NVersZ 1998, 107.
[27] Senatsurt. v. 24.4.1991 – IV ZR 172/90, VersR 1991, 917-918; vgl. auch Jacobsen in: Feyock...

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