aa) Die Schlüsselverhältnisse

Eine besondere Rolle bei den Indizien für das Vortäuschen eines Diebstahls spielen die Schlüsselverhältnisse. Die Versicherer verlangen im Rahmen der Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers regelmäßig die Vorlage sämtlicher Originalschlüssel (E.1.3 AKB 2008). Die Schlüssel werden auf Kopier- und Gebrauchsspuren durch Sachverständige untersucht. Entgegen einer verbreiteten Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts hat aber der Senat entschieden, dass es nicht zum äußeren Bild eines Kfz-Diebstahls gehört, dass der Versicherungsnehmer sämtliche Originalschlüssel vorlegen oder das Fehlen eines Schlüssels plausibel erklären kann.[47] Wenn aber ein Originalschlüssel fehlt und der Versicherungsnehmer dafür keine nachvollziehbare Erklärung hat, kann dies – wenn weitere Verdachtsmomente vorliegen – für die Beurteilung bedeutsam sein, ob ein Diebstahl mit erheblicher Wahrscheinlichkeit vorgetäuscht ist.[48] Anders als bei zu niedriger Angabe der Anzahl der Schlüssel ist deren zu hohe Angabe in der Fahrzeugversicherung generell nicht geeignet, Interessen des Versicherers zu gefährden. Eine Obliegenheitsverletzung kommt insoweit nicht in Betracht. Darauf wird später eingegangen.

Bisher hatten die Fahrzeugschlüssel Bedeutung vor allem bei der Frage des Gegenbeweises des Versicherers für eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung eines Versicherungsfalls oder einer Obliegenheitsverletzung, denn das Nichtvorhandensein sämtlicher Originalschlüssel, die mögliche Anfertigung von Nachschlüsseln und das Vorliegen von Kopierspuren können Indizien für eine Vortäuschung sein. Der Fahrzeugschlüssel entwickelt sich aber immer mehr zu einem hochtechnischen Gegenstand. Neben erforderlichen Daten für das elektronische Öffnen und Schließen und ggf. für die Kommunikation mit einer eingebauten Wegfahrsperre werden Daten über die individuellen Fahrzeugeinstellungen des für den jeweiligen Fahrzeugschlüssel hinterlegten Nutzers – je nach Hersteller: Zeit und Dauer der letzten Fahrt, die Laufleistung, die letzte durch das Fahrzeug gemessene Umgebungstemperatur, der Kraftstoffstand, die Uhrzeit sowie weitere Daten – erfasst und im Schlüssel hinterlegt. Der Schlüssel könnte künftig über die in ihm gespeicherten Daten Aufschluss über Tatsachen geben, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem äußeren Bild, insbesondere dem Abstellen des Fahrzeugs stehen.[49]

bb) Sonstige Indizien

Weitere Indizumstände sind u.a., dass der Versicherungsnehmer einschlägig vorbestraft ist,[50] er in der Vergangenheit bereits an manipulierten Versicherungsfällen beteiligt war und gegenüber der Polizei falsche Angaben über den Kaufpreis und den Ort des Fahrzeugkaufs gemacht hat,[51] es falsche Angaben zu Vorschäden und Laufleistung gibt und seine Angaben nicht frei von Widersprüchen sind[52] sowie, dass er keinen plausiblen Grund dafür angeben kann, warum er kurz vor der angeblichen Entwendung ein Wertgutachten hat anfertigen lassen.[53] Indizien für einen vorgetäuschten Diebstahl können insbesondere auch eine sehr schwierige wirtschaftliche Situation des Versicherungsnehmers, der wiederholte vergebliche Versuch, das Fahrzeug zu verkaufen, und der bevorstehende Ablauf der Neuwertentschädigung sein.[54]

cc) Fälle aus der Rechtsprechung

Aufgrund der technischen Möglichkeiten der Auslesung von elektronischen Schlüsseln, die in ihrem Umfang durchaus nicht allen Versicherungsnehmern bekannt zu sein scheinen, wird die Fertigung von Nachschlüsseln diesen immer wieder zum Verhängnis. So auch in den beiden nachfolgenden Fällen.

(1) Erst der Schlüssel, dann der BMW X5[55]

Der Kläger begehrte Zahlung aus einer bei der Beklagten gehaltenen Kaskoversicherung für seinen BMW X5 wegen eines behaupteten Diebstahls. Der BMW war durch eine KG, deren Komplementär der Kläger war, von der BMW Leasing Bank GmbH geleast worden. Der Leasingvertrag hatte eine Premium-Option, nach der das Leasingunternehmen bei Diebstahl auf die Differenz zwischen Ablösewert und Versicherungsentschädigung verzichtet. Der Pkw verfügte über eine elektronische Wegfahrsperre. Es waren drei Schlüssel, davon zwei mit Fernbedienung, ausgegeben worden. Im Rahmen eines gegen den Kläger geführten strafrechtlichen Verfahrens, das mit seinem Freispruch endete, wurde ein Sachverständigengutachten über die Fahrzeugschlüssel eingeholt. Der Sachverständige stellte dabei fest, dass der Kläger drei komplette Originalschlüssel mit Transpondern vorgelegt hatte, einer der beiden Funkschlüssel aber neben Gebrauchsspuren auch charakteristische Duplizierspuren aufwies. Nach Abtasten zur Duplizierung seien mit dem Schlüssel – so der Sachverständige – nur noch wenige Schließbetätigungen ausgeübt worden.

Der Kläger hatte behauptet, er habe Anfang des Jahres 2008 einen Kurzurlaub in der Türkei ohne seine Lebensgefährtin und Tochter verbracht. Er habe sich am 19.3.2008 spontan entschieden, die Fahrt zum Flughafen mit dem BMW anzutreten, dessen primäre Nutzeri...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge