[7] "… Der Kl. beruft sich zu Unrecht darauf, die Bekl. dürfe bei einem Wechsel aus dem Herkunfts- in den Zieltarif keinen Risikozuschlag verlangen. Vielmehr kann die Bekl. einen solchen gem. § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 203 Abs. 1 S. 2 VVG i.V.m. § 316 BGB erheben."

[8] 1. Dem Kl. steht gegen die Bekl. ein Anspruch auf Tarifwechsel gem. § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Hs. 1 VVG zu. Hiernach kann der VN bei einem bestehenden unbefristeten Versicherungsverhältnis vom VR verlangen, dass dieser Anträge auf Wechsel in andere Tarife mit gleichartigem Versicherungsschutz unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung annimmt. Mit diesem Tarifwechselrecht wird bezweckt, insb. älteren VN bei Schließung ihres Tarifs (“Herkunftstarif’) die Möglichkeit zu eröffnen, eingetretene Kostensteigerungen durch einen Wechsel in einen anderen Tarif des VR (“Zieltarif’) zu vermeiden (Senat VersR 2012, 1422 Rn 7 … ). Dieser Tarifwechselanspruch ist ein Optionsrecht des VN im Rahmen des den VR treffenden Kontrahierungszwangs auf Inhaltsänderung des bestehenden Krankenversicherungsvertrages. … Die Voraussetzungen dieses Tarifwechselanspruchs sind gegeben.

[9] 2. Besteht ein Anspruch des VN auf einen Tarifwechsel, so kann der VR, soweit die Leistungen in dem Tarif, in den der VN wechseln will, höher oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif, für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit auch eine Wartezeit verlangen (§ 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 VVG).

[10] a) Zwar sind die Leistungen im Zieltarif hier nicht höher oder umfassender als im Ausgangstarif. Aus § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG kann aber nicht gefolgert werden, dass die Erhebung eines Risikozuschlages nur bei höherer oder umfassenderer Leistung zulässig ist. Wie das BVerwG bereits zu § 178f Abs. 1 S. 2 VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung, die der jetzigen Regelung in § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 VVG entspricht, entschieden hat, wird dort nur ein spezieller Sachverhalt geregelt, bei dem der Tarifwechsel mit einer Risikoerhöhung für den VR verbunden ist. Hieraus folgt nicht, dass ein Risikozuschlag in Fällen, in denen diese Besonderheit nicht vorliegt, nicht zulässig wäre (BVerwGE 108, 325 juris Rn 21). Dies ergibt sich schon daraus, dass im Zieltarif ohne weiteres ein Risikozuschlag zulässig ist, wenn ein solcher bereits im Herkunftstarif vereinbart war.

[11] Ein solcher Fall liegt hier zwar nicht vor, da im Herkunftstarif kein Risikozuschlag vereinbart war. Wechselt ein VN aber aus einem Tarif mit einer Pauschalprämie, in die das durch Vorerkrankungen des Versicherten bedingte Gesamtrisiko einkalkuliert war, in einen Tarif mit Grundprämie für ein Basisrisiko und individuellen Risikozuschlägen, so ist der VR nicht gehindert, im Zieltarif Risikozuschläge zu erheben, sofern dieser dies für die Risikoklasse vorsieht, in die der VR bei Abschluss der Versicherung den Versicherten eingestuft hatte. Ein Recht auf Freiheit von Risikozuschlägen auch in einem völlig anders kalkulierten Tarif erwirbt der VN mit dem Abschluss des Vertrages zu einer Pauschalprämie nicht. Der Gesetzgeber mag einen solchen eher atypischen Fall nicht ins Auge gefasst haben. Eine interessengerechte Auslegung des Gesetzes ergibt indessen, dass auch in diesem Fall die Erhebung eines Risikozuschlages nicht ausgeschlossen ist. Die innere Rechtfertigung hierfür liegt darin, dass die Krankenversicherung auch im bisherigen Tarif mit den bei Vertragsbeginn bereits vorhandenen Erkrankungen nur gegen eine verhältnismäßig hohe Prämie abgeschlossen werden konnte. Würde der Versicherte zu dem preiswerteren Grundbeitrag des neuen Tarifs ohne jeden Risikozuschlag versichert, läge darin eine Begünstigung, die weder gegenüber dem VR noch gegenüber neuen VN sachlich gerechtfertigt wäre (BVerwG VersR 2010, 1345; VersR 2007, 1253 Rn 38; BVerwGE 137, 179 Rn 21 … ).

[12] Da das Tarifwechselrecht den VN nur vor überhöhten, nicht aber vor risikogerechten Beiträgen schützen soll (Brömmelmeyer, in: PK-VVG, 2. Aufl., § 204 Rn 20), muss der Gefahr vorgebeugt werden, dass ein VN mit einem “schlechten Risiko’ eine Krankenversicherung im Pauschaltarif abschließt, um anschließend unter Berufung auf sein Tarifwechselrecht und unter Umgehung der strengen Risikoprüfung in den günstigeren Zieltarif zu wechseln (Brömmelmeyer, VersR 2010, 706, 710). Ferner besteht keine sachliche Rechtfertigung dafür, die aus einem Pauschaltarif wechselnden VN gegenüber solchen zu bevorzugen, die erstmals einen Tarif mit individuellen Risikozuschlägen abschließen.

[13] Soweit im Schrifttum vereinzelt vorgeschlagen wurde, dem VR das Recht einzuräumen, statt eines individuellen Risikozuschlages einen pauschalen Risikozuschlag zu erheben (vgl. Lorenz/Wandt, VersR 2008, 7, 12 ff.; dies., VersR 2008, 1165, 1167 ff.), kommt dies nicht in Betracht. Ein allein an den Tarifwechsel anknüpfender pauschaler Tarifstrukturzuschlag ist als gesetzlich nicht vorgesehener Sonder...

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