[11] "… aa) Die Kl. hat in der Berufungsbegründung klar zu erkennen gegeben, dass sie die – für die Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge erhebliche – Würdigung des LG angreifen möchte, sie habe einen Verstoß des Bekl. zu 1) gegen die Anzeigepflicht beim Abbiegen nicht bewiesen. Mit dem Vorbringen, das LG habe die Zeugenaussage ihres Ehemannes als “leicht verarmt’ und damit nicht überzeugend gewürdigt, ohne sich einen persönlichen Eindruck verschafft zu haben (§ 355 ZPO), hat die Kl. einen Verfahrensfehler gerügt, der dem LG bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sein soll. Damit hat sie einen konkreten Anhaltspunkt aufgezeigt, der aus ihrer Sicht Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen begründet (vgl. Senat NJW-RR 2014, 760 = VersR 2014, 895 Rn 9; BGHZ 158, 269, 272 = NJW 2004, 1876)."

[12] bb) Die Kl. hat darüber hinaus geltend gemacht, das LG habe rechtsfehlerhaft einen Verstoß des Bekl. zu 1) gegen die erhöhte Sorgfaltspflicht des § 9 Abs. 5 StVO verneint. Denn bei dem Parkplatz, auf den der Bekl. zu 1) abgebogen sei, handle es sich um ein Grundstück im Sinne dieser Bestimmung. Da sich der Unfall beim Abbiegen in das Grundstück ereignet habe, spreche der Beweis des ersten Anscheins für eine schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung des Bekl. zu 1). Diesen Beweis habe der Bekl. nicht widerlegt. Er habe bereits nicht schlüssig dargetan, den Blinker nach links betätigt zu haben.

[13] cc) Soweit das BG in der Berufungsbegründung eine Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Rechtsverstöße vermisst, hat es zunächst nicht berücksichtigt, dass sich diese unmittelbar aus dem angefochtenen Urteil i.V.m. den Ausführungen in der Berufungsbegründung ergibt und deshalb keiner gesonderten Darlegung bedarf (vgl. BGH NJW 2012, 3581 Rn 12). Es liegt auf der Hand, dass sich rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigte Verursachungsbeiträge eines Fahrzeugführers auf das Ergebnis der Haftungsabwägung gem. § 17 Abs. 1 und 2 StVG auswirken.

[14] Abgesehen davon hat die Kl. die Erheblichkeit der gerügten Rechtsverletzungen dargetan. Sie hat geltend gemacht, dass aufgrund des nicht widerlegten Anscheinsbeweises von der alleinigen Haftung der Bekl. auszugehen sei. Jedenfalls sei die vom LG rechtsfehlerhaft verneinte Missachtung der Anzeigepflicht beim Abbiegen und der besonderen Sorgfaltsanforderungen des § 9 Abs. 5 StVO durch den Bekl. zu 1) in die Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge einzustellen, was zu keinem anderen Ergebnis als der alleinigen Haftung der Bekl. führen könne.

[15] Soweit das BG Ausführungen der Kl. dazu vermisst, warum die vom LG angenommene Sorgfaltspflichtverletzung ihres Ehemannes – Überholen bei unklarer Verkehrslage – in der Abwägung hinter den Verstößen des Bekl. zu 1) gegen § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 S. 4 und Abs. 5 StVO zurücktrete, hat es das Vorbringen in der Berufungsbegründung übersehen, wonach den Bekl. zu 1) – anders als den Ehemann der Kl. – eine “besondere Sorgfaltspflicht’ getroffen habe. Hiermit ist ersichtlich die erhöhte Sorgfaltspflicht des § 9 Abs. 5 StVO gemeint, wonach sich der Fahrzeugführer so verhalten muss, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Abgesehen davon bedurfte es derartiger Ausführungen nicht. Für die Zulässigkeit der Berufung kommt es nicht darauf an, ob die von der Kl. angenommene Haftungsquote zutreffend oder vertretbar ist. Dies ist allein eine Frage der Begründetheit.

[16] dd) Den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO ist auch insoweit genügt, als sich die Berufung gegen die Aberkennung der Verbringungskosten wendet. Entgegen der Auffassung des BG ist der diesbezügliche Vortrag in der Berufungsbegründung nicht neu i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO, so dass die besonderen Begründungsanforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 ZPO nicht Platz greifen. Neu ist ein Vorbringen, wenn es einen sehr allgemein gehaltenen Vortrag der ersten Instanz konkretisiert und erstmals substantiiert, nicht aber dann, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (st. Rspr.: Senat BGHZ 159, 245, 251 = NJW 2004, 2825 und BGHZ 164, 330, 333 = NJW 2006, 152; BGH NJW-RR 2009, 1236 Rn 9; BGHZ 194, 290 = GRUR 2012, 1236 Rn 26; jew. m.w.N.). Letzteres ist vorliegend geschehen.

[17] Die Kl. hatte den zur Wiederherstellung ihres Fahrzeugs erforderlichen Geldbetrag i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erstinstanzlich auf 5.973,21 EUR beziffert und ihr Vorbringen durch Vorlage der Reparaturrechnung konkretisiert. Aus der Rechnung ergab sich, dass ihr im Zusammenhang mit der Reparatur Verbringungskosten i.H.v. 85,– EUR netto berechnet worden waren. Damit hatte sie die Entstehung von Verbringungskosten schlüssig dargetan. Diesen schlüssigen Vortrag hat sie in der Berufungsbegründung lediglich erläutert, um ein Missverständnis, dem das LG unterlegen war, auszuräumen. Das LG hat die Geltendmachung von Verbringungskosten für nicht ...

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