BGB § 611 § 675

Leitsatz

1. Aufgrund der Verbreitung von Rechtsschutzversicherungen ist die Erteilung der Deckungszusage eine übliche Bedingung für den Abschluss eines Anwaltsvertrags. Deshalb liegt die Beweislast dafür, dass der anwaltliche Geschäftsbesorgungsvertrag unbedingt abgeschlossen worden ist, regelmäßig beim Rechtsanwalt, wenn sich der Mandant darauf beruft, der Anwalt habe erst nach Erteilung der Deckungszusage tätig werden sollen.

2. Ist jedoch ein zügiges Tätigwerden des Rechtsanwalts erforderlich und wird es auch von dem Mandanten erwartet, weil sich die vorherige Einholung der Deckungszusage als schädlich erweisen könnte, hat der Mandant die Beweislast dafür, dass der Rechtsanwalt selbst für den Fall der Ablehnung des Deckungsschutzes ausnahmsweise ohne Vergütung tätig werden sollte.

(Leitsätze der Schriftleitung)

AG Köln, Urt. v. 11.11.2013 – 142 C 560/12

Sachverhalt

Der Kl., ein Rechtsanwalt, hat den Bekl. vor dem AG auf Zahlung von Rechtsanwaltshonorar in Anspruch genommen.

Der als Stadtbahnfahrer beschäftigte Bekl. suchte am 19.9.2011 den Kl. auf und beauftragte ihn mit der Wahrnehmung seiner Interessen in einer strafrechtlichen Angelegenheit. Gegenstand der Beauftragung war die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Bekl. wegen des Verdachts der Trunkenheit im Straßenverkehr. Der Führerschein des Bekl. war beschlagnahmt worden. Der Bekl., der arbeitsrechtliche Konsequenzen befürchtete, unterschrieb am 19.9.2011 dem Kl. eine weitere Vollmacht, die mit "Arbeitsrechtliche KVB Angelegenheit" überschrieben ist und händigte dem Kl. seinen Arbeitsvertrag aus. Der Bekl. setzte seine Arbeit als Stadtbahnfahrer fort. Am 22.9.2011 wurde dem Bekl. die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Der Bekl. ließ sich am 22.9.2011 auf Anraten des Kl. seine Arbeitsunfähigkeit bis zum 9.10.2011 durch seinen Hausarzt bescheinigen. Der Kl. trat mit der Arbeitgeberin des Bekl. am 4.10.2011 fernmündlich in Kontakt und erkundigte sich nach den Möglichkeiten, von einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen der Entziehung der Fahrerlaubnis Abstand zu nehmen und ihn nötigenfalls unter Kürzung der Bezüge anderweitig zu beschäftigen. Ihm wurde am 10.10.2011 telefonisch bestätigt, dass dem Bekl. nicht gekündigt wird und er im Rangierdienst eingesetzt wird.

Mit Schreiben v. 24.10.2011 suchte der Kl. bei der Rechtschutzversicherung des Bekl. um Kostendeckung wegen der strafrechtlichen und einer arbeitsrechtlichen Angelegenheit nach. Die Rechtschutzversicherung erteilte Kostendeckungszusage für die Vertretung in der strafrechtlichen Angelegenheit. Am 14.11.2011 übermittelte der Bekl. dem Kl. eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag, nach der der Bekl. ab dem 17.11.2011 im Bereich Fahrzeugmanagement eingesetzt wurde. Die Kostenübernahme für die Vertretung in der arbeitsrechtlichen Angelegenheit lehnte sie mit Schreiben v. 17.11.2011 ab. An dieser Haltung hielt die Rechtschutzversicherung trotz weiterer Schreiben des Kl. fest.

Am 16.1.2012 erging gegen den Bekl. ein Strafbefehl wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr, in dem eine Geldstrafe von 1.200 EUR festgesetzt wurde und ihm die Fahrerlaubnis entzogen wurde.

Der Kl. rechnete seine in der arbeitsrechtlichen Angelegenheit entfaltete Tätigkeit mit Schreiben v. 24.5.2012 dem Bekl. gegenüber i.H.v. 661,16 EUR ab und klagte die Vergütung beim AG ein. Der Bekl. behauptet, dass er den Kl. bei der Mandatierung in der strafrechtlichen Angelegenheit darauf hingewiesen habe, dass er in der arbeitsrechtlichen Angelegenheit nur tätig werden solle, wenn die Rechtsschutzversicherung Deckung gewähre. Die Vollmacht für die arbeitsrechtliche Angelegenheit sei nur vorsorglich erteilt worden. Der Kl. habe erklärt, dass seine Tätigkeit diesbezüglich für den Bekl. kostenfrei bleibe.

Das AG hat der Klage nach Beweisaufnahme überwiegend stattgegeben.

2 Aus den Gründen:

" … I. Der Kl. hat gegen den Bekl. einen Honoraranspruch aus einem anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag i.V.m. § 611 BGB i.H.v. 603,93 EUR für die Wahrnehmung der Interessen des Bekl. in der arbeitsrechtlichen Angelegenheit. Dass die Beauftragung des Kl. und seine Tätigkeit unter der aufschiebende Bedingung der Erteilung einer Kostendeckungszusage der Rechtsschutzversicherung stand und der Kl. kostenfrei tätig sein sollte, wenn die Rechtschutzversicherung keine Kostendeckungszusage erteilt, konnte nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, was zulasten des insoweit beweisbelasteten Bekl. geht."

Nach der h.M. (BGH NJW 1985, 497 und 2002, 2862) trägt derjenige, der aus einem Rechtsgeschäft Rechte herleitet die Beweislast dafür, dass das Rechtsgeschäft ohne aufschiebende Bedingung vorgenommen worden ist. Diese sog. Leugnungstheorie steht auf dem Standpunkt, dass es sich bei der Behauptung des Gegners, es liege eine aufschiebende Bedingung für das Rechtsgeschäft vor, um ein substantiiertes Bestreiten handele und daher der Anspruchsteller die Vereinbarung eines unbedingten Geschäftes beweisen müsse. Die Einw...

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