BGB § 253 § 280 § 823 Abs. 1; ZPO § 253 Abs. 2 § 520 Abs. 2

Leitsatz

1. Der Schmerzensgeldanspruch, den ein Patient auf verschiedene, den Ärzten im Rahmen derselben Operation und der damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Nachbehandlung unterlaufene Behandlungsfehler stützt, begründet einen einzigen, alle Behandlungsfehler umfassenden Streitgegenstand.

2. Mehrere Behandlungsfehler, die den Ärzten im Rahmen derselben Operation unterlaufen sind, begründen einen einheitlichen Schmerzensgeldanspruch, dessen Höhe aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände zu bemessen ist. Der Schmerzensgeldanspruch kann nicht in Teilbeträge zum Ausgleich einzelner im Rahmen eines einheitlichen Behandlungsgeschehens unterlaufener Behandlungsfehler aufgespalten werden.

BGH, Urt. v. 14.3.2017 – VI ZR 605/15

Sachverhalt

Die Kl. hat die Bekl. wegen von ihr angenommenen Behandlungsfehlern auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden in Anspruch genommen. Die Kl. hatte sich nach Feststellung eines zystischen Adnexprozesses, der zu Beschwerden im Unterbauch geführt hatte, zur operativen Entfernung der Zyste in die Klinik der Bekl. begeben. Bei der Operation wurden erhebliche Verwachsungen im gesamten Bauchraum festgestellt. Nach Abschluss der Operationserweiterung durch Öffnung der Bauchhöhle traten zunächst konservativ behandelte Beschwerden auf. Schließlich musste ein weiterer operativer Eingriff durchgeführt werden. Die Kl. hat zur Begründung ihrer Ansprüche vier von ihr angenommene Behandlungsfehler angeführt: zunächst sei die Lösung, der Adhäsionen durch eine Operation fehlerhaft gewesen. Die Versorgung des dabei entstandenen Serosadefekts des Dünndarms, einer Hautentzündung der Innenhaut, sei nicht ordnungsgemäß behandelt worden. Weiterhin sei die zunächst konservative Nachbehandlung nach dem ersten Eingriff verfehlt gewesen, da damit nicht rechtzeitig auf die Gefahr eines Darmverschlusses reagiert worden sei. Schließlich hat die Kl. als Behandlungsfehler beanstandet, dass die Bekl. es schon bei der ersten Operation unterlassen hätten, den rechten Eileiter zu entfernen, da dieser aufgrund der massiven Chlamydieninfektion bei einem Belassen die Gefahr einer lebensbedrohlichen Eileiterschwangerschaft begründete. Das folge daraus, dass der durch die Infektion nicht mehr funktionstüchtige Eileiter nicht mehr in der Lage gewesen sei ein Ei in die Gebärmutter zu transportieren. Das LG hat die Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von wenigstens 38.000 EUR, auf Ersatz des materiellen Schadens und die Feststellung der Ersatzpflicht der Bekl. abgewiesen. Das OLG hat die Beanstandungen zu 1–3 als unbegründet angesehen, die Berufung hinsichtlich der Beanstandung zu 4 für unzulässig gehalten. Insoweit hatte die Kl. keinen Vortrag in der Berufungsbegründung gehalten. In der Revision gegen das Urteil des OLG hat die Kl. die tatsächlichen Feststellungen in dem Berufungsurteil hinsichtlich der Beanstandungen zu 1–3 fallen gelassen. Die danach allein in der Berufungsinstanz zu klärende Beanstandung zu 4 führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

2 Aus den Gründen:

[9] … II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[10] 1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch der auf eine fehlerhafte ärztliche Behandlung im Rahmen der Operation vom 7.8.2009 gestützte Schmerzensgeldanspruch in einer reduzierten Größenordnung von 8.000 EUR. Auf diesen Anspruch hat die Kl. ihr Rechtsmittel in der Revisionsbegründung in zulässiger Weise beschränkt. Während sie mit der Nichtzulassungsbeschwerde, deren Einlegung infolge der (uneingeschränkten) Zulassung der Revision gemäß § 544 Abs. 6 ZPO als Einlegung der Revision gilt, ihr auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens gerichtetes Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt hat, begehrt sie nunmehr nur noch die Zahlung eines Schmerzensgeldes in einer – reduzierten Höhe – von mindestens 8.000 EUR.

[11] 2. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kl. gegen die Abweisung ihres Antrags auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds rechtsfehlerhaft hinsichtlich eines Teilbetrags in Höhe von 8.000 EUR als unzulässig verworfen. Wie die Revision zu Recht geltend macht, fehlt es insoweit insbesondere nicht an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung im Sinne des § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO.

[12] a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Kl. die in erster Instanz geltend gemachten Schadensersatzansprüche in der Berufungsinstanz in vollem Umfang weiterverfolgen wollte. Sie hat auf die in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LG gestellten Anträge, d.h. auch auf den Antrag auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, Bezug genommen, ohne den von ihr insoweit angegebenen Mindestbetrag in Höhe von 38.000 EUR zu reduzieren.

[13] b) Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts,...

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