I. Praktische Bedeutung der BGH-Entscheidung

Die Rechtsprechung des BGH, nach der eine Vergütungsvereinbarung unangemessen hoch ist, wenn die vereinbarte Vergütung die gesetzlichen Gebühren mehr als das Fünffache übersteigt, betraf bisher lediglich Vereinbarungen für die Anwaltstätigkeit in Strafsachen. Nunmehr hat der BGH in seinem grundlegenden Urt. v. 10.11.2016 klargestellt, dass diese Grundsätze auch für eine Vergütungsvereinbarung in einer zivilrechtlichen Angelegenheit, hier einer Familiensache, gelten. Ferner hat der BGH hier sehr eingängig die Unterschiede der Voraussetzungen für eine Sittenwidrigkeit einer Vergütungsvereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB und deren Folgen einerseits und den Voraussetzungen und Folgen einer unangemessen hohen vereinbarten Vergütung gem. § 3a Abs. 2 S. 1 RVG andererseits herausgearbeitet.

Für die Praxis wichtig ist auch die Feststellung des BGH, dass eine vereinbarte Vergütung, die die gesetzliche Vergütung um mehr als das Fünffache übersteigt – hier war dies der Faktor von rund 6,5 – lediglich eine Vermutung für die Unangemessenheit des Honorars begründet. Diese Vermutung kann der Rechtsanwalt widerlegen. In diesem Zusammenhang hat der BGH auch praxisgerecht den Zeitaufwand des Anwalts berücksichtigt und aus dem vereinbarten Pauschalhonorar den sich hieraus ergebenden Stundensatz des Rechtsanwalts berechnet. Dieser lag hier bei dem vereinbarten Pauschalhonorar (ohne Umsatzsteuer und Auslagen) von 20.000 EUR bei Ansatz von 107 Stunden bei rund 187 EUR. Hierzu hat der BGH die Auffassung der Vorinstanz geteilt, dass ein solches Stundenhonorar nicht unangemessen hoch sei. Dass ein solcher Stundensatz angemessen, jedenfalls nicht überhöht ist, hat gerade der von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) in Auftrag gegebene Bericht STAR 2015/2016 für das Wirtschaftsjahr 2013 ergeben. In diesem Bericht hat das beauftragte Institut für Freie Berufe (IFB) durch empirische Erhebungen ermittelt, dass der durchschnittliche Regelstundensatz bei vereinbarten Zeithonoraren bei Fachanwälten bei 189 EUR (Westen 196 EUR; Osten 160 EUR), bei spezialisierten Anwälten bei 180 EUR (Westen 189 EUR; Osten 150 EUR) und bei nicht spezialisierten Anwälten bei 140 EUR (Westen 151 EUR; Osten 112 EUR) gelegen hat. Der durchschnittlich höchste Stundensatz lag noch höher. Auch wenn hier die Vergütungsvereinbarung im Jahr 2009 getroffen wurde und die Stundensätze seinerzeit niedriger gewesen sind als im Berichtsjahr 2013, hat das errechnete Stundenhonorar von 187 EUR für den auf Pflegekindfälle spezialisierten und im Westen kanzleiansässigen Bekl. in etwa den Regelstundensätzen entsprochen. Der durchschnittliche Höchststundensatz lag im Jahr 2013 für einen spezialisierten Anwalt im Westen sogar bei 240 EUR.

Die Auswertung des STAR-Berichts mit vielen weiteren Einzelheiten ist im Heft 1 der BRAK-Mitteilungen veröffentlicht.

II. Auswirkungen auf den Rechtsanwalt

Der Rechtsanwalt, der mit seinem Mandanten eine Pauschalhonorarvereinbarung getroffen hat, sollte im eigenen Interesse auch den Zeitaufwand notieren, den er für die jeweiligen Tätigkeiten bei der Bearbeitung des Mandats aufgewandt hat. Dies ermöglicht ihm in einem etwaigen Honorarprozess oder – wie hier – in einem Rechtsstreit auf Rückzahlung geleisteten Honorars den substantiierten Vortrag, für welche Anwaltstätigkeiten er wie viele Stunden aufgewandt hat. Ist der Zeitaufwand bekannt, kann aus dem Pauschalhonorar das Stundenhonorar berechnet werden. Dies kann – wie im Fall des BGH hier – dazu führen, dass auch ein die gesetzliche Vergütung um mehr als das Fünffache übersteigendes Pauschalhonorar nicht unangemessen hoch und deshalb nicht herabzusetzen ist.

Die hier erfolgte Vereinbarung eines Pauschalhonorars für die Vertretung der Mandanten in sämtlichen Angelegenheiten des Pflegekindes führte auch dazu, dass sie auch alle verschiedenen gebührenrechtlichen Angelegenheiten in der Pflegekind-Sache erfasst hat. Deshalb hat der BGH zutreffend dem vereinbarten Pauschalhonorar die Summe der in den einzelnen Angelegenheiten angefallenen gesetzlichen Gebühren – die Auslagen sollten vereinbarungsgemäß extra berechnet werden – gegenübergestellt. Hätte der Anwalt hier für seine verschiedenen Tätigkeiten einzelne Pauschalhonorare vereinbart, etwa einmal für die vorgerichtliche Vertretung, zum zweiten für die Tätigkeit als Verfahrensbevollmächtigter in der ersten Instanz, so hätten den jeweils vereinbarten Pauschalhonoraren die in jeder Angelegenheit getrennt erwachsenen gesetzlichen Vergütungsbeträge gegenübergestellt werden müssen. In jenem Fall wäre auch nicht der gesamte Zeitaufwand des Anwalts maßgeblich gewesen, sondern derjenige für die betreffende gebührenrechtliche Angelegenheit (vorgerichtliche Vertretung einerseits, Tätigkeit im familiengerichtlichen Verfahren andererseits). Das kann dazu führen, dass eine Pauschalhonorarvereinbarung unangemessen hoch und dann herabzusetzen ist, während dies bei der anderen Pauschalhonorarvereinbarung nicht der Fall ist. Die...

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