"Was tun?", spricht Zeus. Diese aus Friedrich Schillers Gedicht "Die Teilung der Erde" entlehnte Redewendung verdeutlicht nur zu gut die Problematik der Abgaskrise, wobei ich bewusst nicht die Bezeichnung VW-Abgaskrise wähle, da bis heute nicht feststeht, ob nicht doch auch andere Hersteller betroffen sind. Größtenteils herrscht Ratlosigkeit ob des Vorgehens gegen den Verkäufer. (Oder doch gegen den Hersteller? Oder gegen beide?)

Besteht für einen Käufer nur ein Anspruch auf Nachbesserung, und wenn ja, wie lang muss die Frist sein, innerhalb derer ein Verkäufer nachbessern darf? Oder kann ein Käufer, wie das LG Regensburg (7 O 967/16) jüngst entschieden hat, sogar Nacherfüllung im Wege der Lieferung einer Ersatzsache, etwa eines Nachfolgemodells verlangen? Besteht ein Rücktrittsrecht vom Kaufvertrag oder ein Anspruch auf Schadensersatz? Kann (nur) Minderung begehrt werden?

Kann ein Hersteller direkt auf Schadensersatz (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 826 BGB) in Anspruch genommen werden? Das LG Hildesheim (3 O 139/16) bejaht diese Frage, wobei die dortigen Ausführungen zur Wissenszurechnung und zum Vorsatz rechtlich wohl kaum haltbar sein dürften (Verwirklichung des objektiven und subjektiven Tatbestands durch einen verfassungsmäßig berufenen Vertreter i.S.d. § 31 BGB?), zumal der BGH (VI ZR 268/11) den Anspruchsteller voll in der Beweislast sieht.

Die Entscheidungen sowie deren Begründungen sind vielfältig, eine klare Linie der Rechtsprechung ist bis heute kaum erkennbar. Es ist allerdings festzustellen, dass zu Beginn der "Krise" überwiegend Entscheidungen zugunsten der Verkäufer gefällt wurden, wohingegen sich mit der Zeit die Entscheidungen zugunsten der Käufer mehren.

Was lag also näher, als dieses Thema auch auf dem 55. Verkehrsgerichtstag in Goslar zu behandeln? Der Arbeitskreis VI hat aber zunächst festgehalten, dass auch vor dem Hintergrund der Abgaskrise grundsätzliche Änderungen des kaufrechtlichen Sachmangelhaftungsrechts nicht angezeigt sind. Dem ist so durchaus zuzustimmen, da ein ausgewogenes Verhältnis der Rechte und Pflichten von Käufer und Verkäufer auch vor dem Hintergrund der jüngsten BGH-Rechtsprechung (VIII ZR 103/15, zfs 2017, 145 [in diesem Heft]) zur Beweislastverteilung beim Verbrauchsgüterkauf besteht.

Soweit in den Empfehlungen de lege ferenda eine Musterfeststellungsklage befürwortet wird, mag dies in geeigneten Fällen ein Instrument sein, Rechtsfragen schneller zu klären, für die Abgaskrise kommt Derartiges sicherlich zu spät. Auch gibt es eine Vielzahl von Vertrags- und Fallgestaltungen, die einer einheitlichen Regelung von grundsätzlichen Fragen entgegenstehen können.

Zu begrüßen ist die Empfehlung des Arbeitskreises, die Rechtsfolgen einer Rückrufaktion klar gesetzlich zu regeln und dort insbesondere eine Kostentragungspflicht der Hersteller zu normieren. So ist das Produktsicherheitsgesetz in der derzeitigen Fassung nicht geeignet, um beim Abgasskandal einen Rückruf zu begründen (wohl keine Gefahrenlage). Es bedarf daher einer Ergänzung verbraucherschützender Vorschriften, um Rückrufe rechtssicher zu ermöglichen. Rückrufaktionen bieten auch wenig effektiven Rechtsschutz, da damit verbundene Kosten nicht zwingend von den Herstellern zu tragen sind. Die Verbraucher/Käufer sind daher auf das Wohlwollen der Hersteller angewiesen, dass diese die Kosten von Rückrufaktionen übernehmen. Die Geltendmachung von Sachmangelhaftungsansprüchen ist auch nicht identisch mit Rückrufaktionen. Auch könnte die Ausgestaltung des europäischen und nationalen Typgenehmigungsrechts als Schutzgesetz dem Käufer deliktsrechtliche Ansprüche gegen den Hersteller ermöglichen. Aktuell helfen diese Überlegungen aber nicht weiter.

Klarheit in die rechtliche Bewertung der Abgaskrise wird letztlich nur eine Entscheidung des BGH bringen, wobei den Instanzgerichten, insbesondere aber den Berufungsgerichten zugerufen wird, derartige Verfahren beschleunigt zu entscheiden, um möglichst schnell eine Revisionsentscheidung des BGH und damit Rechtssicherheit "im ganzen Land" zu ermöglichen.

Autor: Dr. Matthias Köck

RA Dr. Matthias Köck, FA für Verkehrsrecht und FA für Arbeitsrecht, Nürnberg

zfs 3/2017, S. 121

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