" … Dem Kl. steht wegen seiner bei dem Verkehrsunfall vom 19.3.2008 erlittenen Verletzung ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. insgesamt nur 30.000 EUR gegen die Bekl. aus § 115 VVG i.V.m. § 9 StVG und § 253 BGB zu."

Soweit die Bekl. mit der Berufung geltend macht, das dem Kl. vom LG i.H.v. insgesamt 40.000 EUR zuerkannte Schmerzensgeld, das sich der Kl. als Mindestbetrag vorstellt, sei in Höhe eines Teilbetrages von 20.000 EUR übersetzt, hat der Senat die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Es darf sich nicht darauf beschränken, die Ermessensausübung der Vorinstanz auf Rechtsfehler zu überprüfen (vgl. BGH, Urt. v. 28.3.2006 – VI ZR 46/05, VersR 2008, 710 = NJW 2006, 1589 = juris Rn 30). Die Überprüfung durch den Senat nach dem genannten Maßstab hat ergeben, dass das dem Kl. wegen seiner unfallbedingten Verletzung zuzuerkennende Schmerzensgeld mit insgesamt 30.000 EUR angemessen und ausreichend bemessen ist.

Durch das Schmerzensgeld soll der Verletzte einen Ausgleich für die in der Regel nicht rückgängig zu machenden erlittenen Schmerzen und Leiden erhalten und ihm soll Genugtuung verschafft werden. Maßgebend für die Bemessung des Schmerzensgeldes sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen und ihre Folgen, das durch sie bedingte Leiden, dessen Dauer und der Grad des Verschuldens des Schädigers (vgl. dazu BGH VersR 1998, 1034, 1035 = NJW 1998, 2741, 2742).

Der Genugtuungsfunktion kommt im vorliegenden Fall nur eine untergeordnete Bedeutung zu, weil der Kl. infolge eines vom Versicherten der Bekl. fahrlässig verursachten Auffahrunfalls verletzt worden ist, also das Verschulden des Versicherten der Bekl. eher gering ist.

Wesentlich ist daher hier vor allem die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes, also die Schwere der unfallbedingten Verletzung des Kl. und ihre Folgen. Der Kl. hat durch den Verkehrsunfall nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LG in dem am 8.8.2012 verkündeten Grund- und Teilurteil (vgl. zur Bindungswirkung eines Grund- und Teilurteils bei einem Gesundheitsschaden BGH, Urt. v. 20.5.2014 – VI ZR 187/13 –VersR 2014, 1130 = NJW-RR 2014, 1118 = juris Rn 17) eine Instabilität der Halswirbelsäule bei vorbestehendem Os Odontoideum erlitten, die eine anschließende Operation zur Stabilisierung durch Einsetzen einer Verplattung zwingend erforderlich gemacht hat. Diese Operation ist nicht risikolos, sondern kann nach den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. M in seinem Gutachten vom 9.10.2012 in – allerdings seltenen – Ausnahmefällen zu Lähmungen bis hin zu einer Querschnittslähmung führen. Die Operation des Kl. machte einen stationären Krankenhausaufenthalt vom 19.3.2008 bis zum 2.4.2008 und anschließend vom 19.4.2008 bis zum 9.5.2008 eine stationäre Behandlung in einer Reha-Klinik erforderlich. Nach dem vom LG eingeholten überzeugenden Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. J ist dabei von einem postoperativen Wundschmerz für die Dauer von 6 Wochen auszugehen. Der Heilungsverlauf ist aber komplikationslos gewesen.

Über die mit der Verletzung und der Operation unmittelbar verbundenen Beschwernisse des Kl. hinaus fällt hier bei der Bemessung des Schmerzensgeldes gravierend ins Gewicht, dass die in den Bereich der Halswirbelsäule des Kl. zur Stabilisierung eingesetzte Verplattung, die vom Hinterhaupt bis zum 2. Halswirbel reicht, dauerhaft dort verbleiben muss. Durch diese Verplattung ist der Kl., wie sich aus dem … Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. J. ergibt, dauerhaft in der Beweglichkeit seines Kopfes und der Halswirbelsäule eingeschränkt, insb. ist das Drehvermögen des Kopfes nach beiden Seiten eingeschränkt und die Kopfnickbewegung, d.h., die Vor- und Rückwärtsneigung des Kopfes blockiert. Diese Einschränkung ist auch aufgrund des geringen Alters des Kl., der im Unfallzeitpunkt erst 28 Jahre alt war, aus objektiver Sicht recht belastend. Zusätzlich kommt es hierdurch zu einer biomechanischen Mehrbelastung der mittleren Halswirbelsäule, was zu Schmerzen führen kann. Ferner besteht eine erhöhte Vulnerabilität der Halswirbelsäule mit der Folge, dass schwere körperliche Arbeiten in unphysiologischen Körperhaltungen, insb. das Heben schwerer Lasten und alle Tätigkeiten, bei denen der Kopf in- oder rekliniert werden muss, z.B. Überkopfarbeiten, die Gesundheit des Kl. gefährden. Hieraus folgt nach dem überzeugenden Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. J für den Zeitraum ab dem Unfall vom 19.3.2008 bis zum Abschluss der ersten Rehabilitation am 9.5.2008 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 % und eine anschließende dauerhafte MdE von 20 %.

Eine für den Kl. belastende und bei der Bemessung des Schmerzensgeldes demnach ebenfalls zu berücksichtigende Unfallfolge besteht ferner darin, dass sich der Kl. im Jahre 2012 einer Wiederholung der nicht ungefährlichen Operation unterziehen musste, weil...

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