OWiG § 73 § 74; StPO § 213 § 218

Leitsatz

Bei der Zurückweisung eines die Terminierung betreffenden Antrags, der mit der Verhinderung des Verteidigers begründet wird, ist zu berücksichtigen, ob dem Betr. aufgrund rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten der Sache die Wahrnehmung des Termins, ohne den Verteidiger zumutbar ist und das Verlegungsgesuch rechtzeitig gestellt und auf gewichtige Gründe gestützt ist.

OLG Schleswig, Beschl. v. 15.7.2014 – 1 Ss OWi 116/14 (133/14)

1 Aus den Gründen:

" … Die gem. §§ 80 Abs. 3, 79 Abs. 1 S. 2 OWiG statthafte Antrag ist zulässig, aber unbegründet."

Das AG hat dadurch, dass es dem Terminverlegungsantrag des Verteidigers nicht nachgekommen ist, das rechtliche Gehör des Betr. nicht verletzt.

Die StA bei dem Schleswig-Holsteinischen OLG hat in ihrer Zuschrift vom 8.7.2014 hierzu u.a. ausgeführt:

Das Recht auf Terminierung unterliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten, namentlich des Betr. an einer effektiven Verteidigung durch einen Rechtsanwalt seines Vertrauens (st. Rspr., vgl. nur OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.1.2012 – Ss (OWiZ) 206/11, juris). Bei der Zurückweisung eines die Terminierung betreffenden Antrags, der mit der Verhinderung des Verteidigers begründet wird, ist ferner zu berücksichtigen, ob dem Betr. aufgrund rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten der Sache die Wahrnehmung des Termins, ohne den Verteidiger zumutbar ist und das Verlegungsgesuch rechtzeitig gestellt und auf gewichtige Gründe gestützt ist. Dabei sind zur Sicherstellung eines fairen Verfahrens alle Umstände des Einzelfalls angemessen gegeneinander abzuwägen (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.2.2014 – 3 Ws 172/14, juris; OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.1.2012 – Ss (OWiZ) 206/11, juris). Zur Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens ist dabei – insb. bei einer durch das Gericht dargelegten angespannten Geschäftslage – dem Verteidiger zuzumuten, substantiiert zu dem kollidierenden Termin vorzutragen und das Gericht so in die Lage zu versetzen, nicht nur den Termin zu überprüfen, sondern überdies weitere abwägungsrelevante entscheidungserhebliche Tatsachen in Erfahrung zu bringen, etwa ob die Terminkollision aufgrund einer kurzfristigen Mandatierung des Verteidigers in anderer Sache nach der eigenen Terminladung entstanden ist (vgl. dazu OLG Frankfurt, a.a.O). Das Gericht hat insoweit auch nicht versäumt, im Rahmen der Fürsorgepflicht auf die Nachreichung entsprechender Angaben hinzuwirken (vgl. dazu LG Neubrandenburg, Beschl. v. 18.3.2011 – 8 Qs 20/11 – 744 Js 16438/10 OWi, NZV 2012, 47). Über den Verlegungsantrag ist auch nicht so spät entschieden worden, dass es dem Betr. unmöglich gemacht worden wäre, sich in der Hauptverhandlung angemessen zu verteidigen (vgl. dazu OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.1.2012 – Ss (OWiZ) 2016/11, juris).

Dem tritt der Senat bei.“

Mitgeteilt von RA Stefan Busch, Lübeck

2 Anmerkung:

Die Entscheidung überrascht zunächst. Ausgehend von einer Entscheidung des KG (Beschl. v. 9.5.2012 – 3 Ws (B) 260/12, DAR 2012, 395) ist davon auszugehen, dass bei rechtzeitig vor dem Termin gestelltem begründeten Verlegungsantrag des Verteidigers wegen seiner Verhinderung das Gericht über einen solchen Antrag nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat, wobei bei einem bestreitenden Betr. einem solchen Antrag in der Regel zu entsprechen ist. Auch das seitens des OLG Schleswig zitierte OLG Braunschweig hatte klar ausgedrückt, dass die Ablehnung einer Terminsverlegung ermessensfehlerhaft ist, wenn sich das Gericht auch auf die Vielzahl der dort sonst jährlich anhängigen Bußgeldverfahren stützt. Dieser Umstand darf nämlich bei der Ermessensentscheidung keine Berücksichtigung finden, weil die Geschäftslage des erkennenden Gerichts – mag sie auch noch so besorgniserregend sein – eine etwaige Abweichung vom Grundsatz des fairen Verfahrens schon unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen vermag. Auch wäre es ein Verfahrensfehler, wenn das Gericht den Betr. darauf verweist, sich von einem anderen Anwalt verteidigen zu lassen, hilfsweise die Verteidigung selbst zu übernehmen, ohne sich damit auseinanderzusetzen, ob dies dem Betr. angesichts des enormen Zeitdrucks noch zuzumuten ist.

Gerade das erscheint aber in der Entscheidung des OLG Schleswig zweifelhaft, wenn dem Betr. vorgehalten wird, er hätte sich auch ohne den verhinderten Verteidiger in der Hauptverhandlung angemessen verteidigen können. Denn gerade das ist ihm nicht zuzumuten, wenn er einen Wahlverteidiger hat. Dieser Argumentationsstrang geht beim OLG Schleswig völlig unter und ist in der Diktion auch bedenklich.

Die beiden übrigen zitierten Entscheidungen allerdings lassen erkennen, warum das OLG Schleswig hier das Verlegungsgesuch für unbeachtlich hielt. Das LG Neubrandenburg hatte entschieden, dass sich aus dem Grundsatz der gerichtlichen Terminshoheit nach § 21...

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