BGB § 823; GG Art. 2; StVG § 7 § 9 § 18; StVO § 3 § 4; ZPO § 286

Leitsatz

Nach einem Verkehrsunfall überwiegt im anschließenden Rechtsstreit das Interesse des Unfallbeteiligten an der Verwertung der von ihm gefertigten Videoaufnahme zu Beweiszwecken gegenüber dem Interesse des Unfallgegners an seinem Persönlichkeitsrecht, so dass die Verwertung der Videoaufnahme zulässig ist

(Leitsatz der Schriftleitung)

AG München, Urt. v. 6.6.2013 – 343 C 4445/13

Sachverhalt

Der Kl., der das Unfallereignis, aus dem er Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche herleitet, von seinem Fahrrad aus mit einem Videogerät aufgezeichnet hat, bremste aus zwischen den Parteien streitigen Gründen sein Fahrrad ab und stürzte, als der Bekl. mit seinem vorausfahrenden Pkw abbremste. Es kam zu keiner Berührung beider Fahrzeuge. Der Kl. behauptete, der Bekl. habe ihn absichtlich ausgebremst, um ihn zu maßregeln. Schon zuvor habe ihm der Bekl. den gestreckten Mittelfinger gezeigt, weil sich der Kl. darüber beschwert habe, dass der Bekl. ihn mit seinem Pkw ohne jeden Seitenabstand überholt habe.

Zum Beweis seiner Unfalldarstellung bezog sich der Kl. auf die von ihm gefertigte Videoaufnahme. Dem trat der Bekl. mit der Begründung entgegen, dass die Verwertung der Aufnahme im Gerichtsverfahren ihn in seinen Grundrechten verletze. Das AG ging von einer zulässigen Verwertung der Videoaufnahme aus und holte zusätzlich zu einer Zeugenvernehmung unter Auswertung der Videoaufnahme ein unfallanalytisches Gutachten ein. Danach wies es die Klage ab.

2 Aus den Gründen:

" … Hier war zwischen den Parteien zunächst streitig, ob die Verwertung des Videos zulässig ist. Die Frage, ob solche Verkehrsvideos in einem ZiviIgerichtsverfahren nach einem Verkehrsunfall ausgewertet werden dürfen, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden (vgl. Klann, Zur Zulässigkeit der Verwendung privater Verkehrsüberwachungskameras zu Beweiswecken, DAR, 2013, 186 ff.). Nach st. Rspr. kommt es bei der Verwertung derartige Aufnahmen auf die Interessen beider Parteien an, die gegeneinander abzuwägen sind."

Die Abwägung führt zu dem Ergebnis, dass die Verwertung des Videos hier zulässig ist. Zu der Zeit, zu der das Video aufgenommen wird, verfolgt der Aufnehmende damit noch keinen bestimmten Zweck. Die Personen, die vom Video aufgenommen werden, geraten rein zufällig ins Bild, so, wie es auch ist, wenn man Urlaubsfotos schießt oder Urlaubsfilme macht und dabei auch Personen mit abgebildet werden, mit denen man nichts tun hat. Derartige Fotoaufnahmen und Videos sind nicht verboten und sozial anerkannt. Jeder weiß, dass er in der Öffentlichkeit zufällig auf solche Bilder geraten kann. Nachdem die abgebildete Personen dem Fotografierer i.d.R. nicht bekannt ist und dieser damit auch keine näheren Absichten gegenüber der abgebildeten Person verfolgt, bleibt die abgebildete Person anonym und ist insofern allein durch die Tatsache, dass die Aufnahme erstellt wird auch nicht in ihrem Recht betroffen. Eine Beeinträchtigung ihrer Grundrechte kann nur dann vorliegen, wenn eine derartige zufällig gewonnene Aufnahme dann gegen den Willen der abgebildeten Person veröffentlicht wird.

Das passiert hier, nachdem der Kl. von der Videoaufnahme im Gerichtsverfahren Gebrauch machen will. In dem Moment, in dem sich der Unfall ereignete, hat sich die Interessenlage der Beteiligten aber auch geändert. Der Kl. hat nunmehr ein Interesse daran, Beweise zu sichern. Dieses Interesse ist in der Rspr. Anerkannt. Es wird für unproblematisch gehalten, wenn ein Unfallbeteiligter unmittelbar nach dem Unfall Fotos von den beteiligten Fahrzeugen, der Endstellung, Bremsspuren oder auch von seinem Unfallgegner macht, um Beweise für den Unfallhergang und die Beteiligung der Personen zu sichern. Es kann keinen Unterschied machen, ob die Beweismittel erst nach dem Unfall gewonnen werden oder bereits angefertigte Aufnahmen nun mit bestimmter Zielrichtung verwertet werden. Deshalb konnte in dem Prozess das Video ausgewertet werden.

II. Die Beweisaufnahme hat nun ergeben dass der Kl. den Unfall überwiegend selbst verschuldet hat. Das mitwirkende Verhalten des Bekl. zu 1) war hier von so untergeordneter Bedeutung, dass eine Mithaftung der Bekl. nicht mehr in Betracht kommt.

1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es nicht zu einer Berührung des Fahrrads mit dem Smart der Beklagtenseite gekommen ist. Deshalb haften die Bekl. nicht automatisch schon wegen der Betriebsgefahr nach § 7 StVG für die Folgen des Unfalls. Der Kl. hatte vielmehr ein mitwirkendes Verschulden des Bekl. zu 2) zu beweisen.

2. Die Beweisaufnahme gibt das nicht her.

Der Zeuge sagte aus, dass der Kl. bereits bei der Einfahrt in die T-straße begann mit den Armen zu fuchteln.

Der Sachverständige erklärte in der mündlichen Verhandlung für alle Beteiligten nachvollziehbar und anschaulich anhand der teilweise aus dem Video entnommenen einzelnen Bilder und der von ihm angefertigten vermaßten Skizze der Kreuzung, wie er auf seine Berechnungen und Schlussfolgerungen kam.

Er erläuterte, dass der Kl. mit seinem Fahr...

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