" … Die Revision hat keinen Erfolg."

I. Das BG hat in seiner angefochtenen Entscheidung (r+s 2016, 213) ausgeführt, die deutschen Gerichte seien im Streitfall international zuständig.

II. Das hält rechtlicher Überprüfung stand. Das BG hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gem. § 215 Abs. 1 S. 1 VVG zu Recht bejaht.

1. Es hat richtig erkannt, dass die nationalen Zuständigkeitsvorschriften hier nicht durch die Regelungen der EuGVVO 2001 oder des Luganer Übereinkommens vom 30.10.2007 (LugÜ 2007) verdrängt werden (…) (BGHZ 210, 277 Rn 14 und […] VersR 2017, 779 Rn 12). Die internationale Zuständigkeit für die Klage ergibt sich danach mittelbar aus den nationalen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit (…), hier aus § 215 Abs. 1 S. 1 VVG.

a) Die Vorschrift ist in sachlicher Hinsicht einschlägig, weil sie auch Klagen erfasst, die auf die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses nach Widerspruch sowie auf Schadensersatz aus Beratungsverschulden bei Anbahnung des Versicherungsvertrags – einschließlich eventueller Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren und weiteren Sinne – gerichtet sind (…).

b) § 215 Abs. 1 S. 1 VVG ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar, obgleich der Versicherungsvertrag noch vor der Reform des Versicherungsvertragsrechts abgeschlossen wurde. Wie der Senat in seinem Urt. v. 8.3.2017 (VersR 2017, 779) entschieden und eingehend begründet hat, ist die neue Gerichtsstandsregel gem. Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23.11.2007 (BGBl I 2631) seit dem 1.1.2008 geltendes Recht, das unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses anzuwenden ist (a.a.O. Rn 23 ff.).

c) Der Anwendung von § 215 Abs. 1 S. 1 VVG steht ferner nicht entgegen, dass es sich bei der Kl., die nach ihrem der Zuständigkeitsprüfung zugrunde zu legenden Vortrag inzwischen VN ist, weder um einen Verbraucher noch um eine natürliche Person handelt.

aa) Die Norm begründet für Klagen aus dem Versicherungsvertrag die Zuständigkeit des Gerichts, in dessen Bezirk der VN zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ob sie auch einschlägig ist, wenn es sich bei dem VN um eine juristische Person handelt, wird unterschiedlich beurteilt.

Dies wird in Rechtsprechung und Literatur teilweise unter Bezugnahme auf den Wortlaut der Vorschrift abgelehnt, weil er eine natürliche Person voraussetze, eine juristische Person aber weder einen “Wohnsitz‘ noch einen “gewöhnlichen Aufenthalt‘ haben könne (…). Einige fordern überdies, dass der VN Verbraucher sein müsse (HK-VVG/Muschner, 3. Aufl. § 215 Rn 11; Grote/Schneider BB 2007, 2689, 2701).

Nach der Gegenansicht können auch juristische Personen VN i.S.d. § 215 Abs. 1 S. 1 VVG sein (OLG Schleswig VersR 2015, 1422, 1423 f.; (…); Brand, in: Bruck/Möller, 9. Aufl. § 215 Rn 10 ff.; Rixecker, in: Langheid/Rixecker, VVG 5. Aufl. § 215 Rn 2; Eichelberg, in Looschelders/Pohlmann, VVG 3. Aufl. § 215 Rn 5; (…).

bb) Der Senat teilt die letztgenannte Auffassung. § 215 Abs. 1 S. 1 VVG erfasst auch Klagen aus einem Versicherungsvertrag, dessen VN eine juristische Person ist, wobei auf deren Sitz i.S.d. § 17 ZPO abzustellen ist.

Zwar lässt die reine Wortlautinterpretation ein abweichendes Verständnis möglich erscheinen. Bei dieser darf die Auslegung aber nicht Halt machen. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist vielmehr der zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, dessen Erfassung die nebeneinander zulässigen, sich ergänzenden Methoden der Auslegung aus dem Wortlaut der Norm, aus ihrem Zusammenhang, aus ihrem Zweck sowie aus den Gesetzgebungsmaterialien und der Entstehungsgeschichte dienen (…). Nach dieser Maßgabe ist davon auszugehen, dass juristische Personen als VN im Rahmen des § 215 VVG nicht anders behandelt werden sollen als natürliche Personen oder Verbraucher.

(1) Entgegen der Auffassung der Revision ist schon die Wortlautauslegung nicht eindeutig. So ist in der Norm – abweichend von der Regelung des § 29c ZPO, an der sich der Gesetzgeber bei der Fassung von § 215 VVG orientierte (vgl. […] BT-Drucks 16/3945 S. 117) – nicht vom Verbraucher die Rede oder von einer natürlichen Person, obgleich dem Versicherungsvertragsgesetz diese Begriffe nicht fremd sind (vgl. §§ 7 Abs. 5 S. 2, 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG; ähnlich: Brand, a.a.O. Rn 10; MüKo-VVG/Looschelders, a.a.O. Rn 13). Für eine entsprechende Einschränkung des Kreises der VN lässt sich lediglich anführen, dass juristische Personen weder über einen Wohnsitz noch über einen gewöhnlichen Aufenthalt verfügen.

(2) Gegen ein solch begrenztes Verständnis spricht aber – worauf das BG zu Recht abstellt – in systematischer Hinsicht, dass das Versicherungsvertragsgesetz den VN grds. unabhängig von seiner Rechtsform oder seiner eventuellen Verbrauchereigenschaft schützt (vgl. Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 29.4.2004, S. 21 f.; so auch OLG Schleswig a.a.O. 14...

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