Vgl. Diehl, Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers nach Unfall seines Arbeitnehmers im Straßenverkehr und Regress gegen Drittschädiger, zfs 2007, 543 ff.

Behauptete HWS-Verletzungen eines Arbeitnehmers im Straßenverkehr führen bei Regressversuchen des Arbeitgebers häufig dazu, dass die Frage der Ursächlichkeit des Unfalls für die Verletzung streitig wird (vgl. Burmann/Jahnke, NZV 2013, 313).

1. Die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers bei dieser Konstellation, die sich aus seiner Verpflichtung zur Lohnfortzahlung gem. § 3 EFZG ergibt, kann zum einen durch das Aufwendungsausgleichgesetz (AAG, vgl. dazu Staudinger/Oetker, Bürgerliches Gesetzbuch, Neubearbeitung 2016, § 616 Rn 482 ff.), vor allem aber bei Vorhandensein eines Schädigers wirtschaftlich gemindert sein (vgl. § 6 EFZG).

Als mittelbar Geschädigter steht dem Arbeitgeber kein Schadensersatzanspruch zu, da einer der Ausnahmefälle des Ersatzes mittelbarer Schäden (Beerdigungskosten, Unterhaltsansprüche, entgangene Dienste) nicht gegeben ist. Mittelbar Geschädigter ist der Arbeitgeber, da er ohne selbst körperlich verletzt worden zu sein, infolge der Verletzung seines Arbeitnehmers mittelbar einen Vermögensschaden erlitten hat. Über die dargestellten Ausnahmefälle des Ersatzanspruchs mittelbar Geschädigter hinaus gibt es für mittelbar Geschädigte keinen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung (vgl. BGHZ 7, 30; BGH VersR 2003, 446; BGH VersR 2004, 1192; LG Hamburg r+s 1991, 198).

Die Regressvorschrift des § 6 EFZG stellt keine – weitere – Ausnahme vom Ausschluss der fehlenden Schadensersatzansprüche mittelbarer Geschädigter dar, da sie lediglich eine Regressmöglichkeit anordnet.

Das hat Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers. Da ein übergangsfähiger Anspruch "seines" Arbeitnehmers von ihm verfolgt wird, müssen dessen Voraussetzungen gegeben sein, um einen erfolgreichen Regress zu ermöglichen. Nun hat die Regresssituation die Besonderheit, dass der Arbeitnehmer entsprechend seiner Verpflichtung nach § 5 EFZG eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seines Arztes eingereicht hat. Verschärft wird die Pflicht zur Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dadurch, dass der Arbeitgeber zur Fortzahlung des Arbeitsentgeltes nicht mehr verpflichtet ist, solange der Arbeitnehmer die Bescheinigung schuldhaft nicht vorlegt (§ 7 EFZG; vgl. i.E. Dörner, in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch Arbeitsrecht Rn 15).

Ob die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers in der Richtung hat, dass sie Beweis – oder Beweiserleichterung – hinsichtlich der Ursächlichkeit des Unfalls für die in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung festgestellten Verletzungen ist, hat das LG mit Recht verneint. Das wäre sicherlich eine praxisfreundliche Weichenstellung, die den Gerichten viel Begründungsaufwand abnähme (so aber LG Verden zfs 2004, 207). Sie wäre allerdings häufig eine Fehlbeurteilung, da sie sowohl dem Zweck der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht gerecht wird als auch der Intensität der Überlegungen des Arztes bei deren Ausstellung nicht ausreichend Rechnung trägt. Da der Arzt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch ohne persönliche Untersuchung des Arbeitnehmers ausstellen kann, ist der Beweiswert einer solchen Bescheinigung oft eher gering (vgl. Dörner a.a.O. Rn 1610). Auch in den Fällen, in denen der Arzt nach einer Untersuchung des Patienten die Arbeitsunfähigkeit bestätigt hat, wird eine gesetzliche Vermutung für das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit verneint, wenn auch ein je nach Sachlage hoher Beweiswert angenommen wird (vgl. Oetker a.a.O. § 616 Rn 539–541). Für die entscheidende Frage der Ursächlichkeit der von einem Dritten festgestellten Verletzungen für die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers geben die Überlegungen zum Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohnehin nichts her. Der die Bescheinigung ausstellende Arzt wird dabei nicht als Unfallforscher tätig, der sich auch nur Gedanken zur Ursächlichkeit des ihm geschilderten Unfalls – ohne die Richtigkeit überprüfen zu können – macht, sondern beschränkt sich auf den medizinischen Befund. Schadensrechtlich ist damit die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne großen Beweiswert (vgl. LG Fulda VersR 2012, 465; Thora, VersR 2012, 367; Zoll, in: Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl., Dritter Teil Rn 54 m.w.N.).

2. Da die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur eine auf das Arbeitsverhältnis bezogene Aussagekraft hat, ist die Frage der schadensrechtlichen Ursächlichkeit der Handlung des möglichen Schädigers eigenständig durch Beweisaufnahme zu klären (vgl. auch Burmann/Jahnke, NZV 2013, 313, 317; Vuia, NJW 2016, 1456, 1457). Mit dieser begrenzten Aussagekraft der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist es unvereinbar, wenn wegen des Fehlens von Anknüpfungstatsachen im Attest eines Arztes für das Vorliegen einer HWS-Distorsion im Regressprozess nach § 6 EFZG eine weitere Beweisaufnahme durch Einholung eines medizinischen Guta...

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