StPO § 147

Leitsatz

Der Antrag auf Überlassung einer unkomprimierten Datei in einem mit einem handelsüblichen Programm auswertbaren Format stellt nur einen Teilbereich der ohnehin zu gewährenden Akteneinsicht dar, keine Form der Aktenergänzung.

AG Bayreuth, Beschl. v. 28.9.2015 – 7 OWi 131/15

Sachverhalt

Gegen den Betroffenen ist ein Bußgeldverfahren anhängig. Ihm wird ein Geschwindigkeitsverstoß auf der BAB A9 vorgeworfen. Der Verteidiger hatte bei der Behörde Akteneinsicht in die Verfahrensakte und zugleich Beiziehung “sämtlicher Unterlagen, die üblicherweise in der sog. Lebensakte aufbewahrt werden’ beantragt. Die Akte wurde ihm daraufhin vom Bayerischen Polizeiverwaltungsamt übermittelt, ohne dass jedoch zusätzliche Unterlagen beigezogen worden waren, insb. nicht die begehrte “Stammkarte’ (“Lebensakte’).

Nach erfolgter Akteneinsicht begehrte der Verteidiger mit weiterem Schriftsatz hinsichtlich des in der Akte befindlichen Messfotos die “Überlassung der unkomprimierten Datei auf einem mit einem handelsüblichen Programm auswertbaren Format’, weil er die Qualität des Ausdrucks für “denkbar schlecht’ erachtete.

Dieser Antrag wurde von der Verwaltungsbehörde am 29.4.2015 abgelehnt. Hiergegen begehrte der Verteidiger am 7.5.2015 gerichtliche Entscheidung. Das Bayerische Polizeiverwaltungsamt half dem Antrag nicht ab und legte die Akte am 30.7.2015 dem AG Bayreuth zur Entscheidung vor. Auf Nachfrage des Gerichts bestätigte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 23.9.2015, dass es ihm in seinem Antrag nicht mehr um die ursprünglich geforderte Aktenergänzung (“Lebensakte’) geht, sondern nur um das Messfoto.

Das AG Bayreuth hat sodann festgestellt, dass das Bayerische Polizeiverwaltungsamt verpflichtet ist, dem Verteidiger hinsichtlich des in der Akte als Beweismittel befindlichen Messfotos eine nicht komprimierte Datei per E-Mail oder auf CD zu überlassen.

2 Aus den Gründen:

" … Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und begründet."

Nach st. Rspr. dieses Gerichts ist dem Begehren auf Beiziehung zusätzlicher Unterlagen nur nachzukommen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die verwendete Messeinrichtung bei der konkreten Messung nicht ordnungsgemäß funktioniert haben könnte, da ein allgemeiner Anspruch auf Aktenergänzung “ins Blaue hinein’ nicht besteht (vgl. DAR 2010, 109 ff.).

Die vom Verteidiger im vorliegenden Fall gewünschte nicht komprimierte Datei ist aber keine Aktenergänzung im o.g. Sinn, da keine zusätzlichen Unterlagen beigezogen werden sollen, die bisher nicht zu Beweiszwecken zur Verfügung standen. Vielmehr soll dem Verteidiger lediglich ermöglicht werden, das bei der Akte befindliche Lichtbild (Messfoto) in besserer Qualität zur Kenntnis zu nehmen, als es beim Ausdruck auf Papier möglich ist. Dies ist keine Aktenergänzung, sondern lediglich die optimierte Form der ohnehin bereits gewährten Akteneinsicht in die bestehende Akte. Dem Antrag des Verteidigers ist deshalb nachzukommen, weil ihm zu ermöglichen ist, die angebotenen Beweismittel in bestmöglicher Form wahrzunehmen.“

Mitgeteilt von RA Ralph Gübner, Kiel

3 Anmerkung:

Es handelt sich nur um zwei kleine Details, die aber im Rahmen der vielen Entscheidungen rund um die Akteneinsicht durchaus von Bedeutung sein können. Zum einen muss dem Verteidiger bei Bedarf (z.B. für ein Privatgutachten) die Datei des Messbildes zugänglich gemacht werden. Zum anderen wird zu Recht zwischen Akteneinsicht und Aktenergänzung unterschieden. Ob im Verwaltungsverfahren allerdings ernsthaft verlangt werden kann, dass der Verteidiger bereits konkrete Anhaltspunkte gegen die Messung vorbringen muss, um aktenergänzende Einsicht, z.B. in die Lebensakte/Reparaturunterlagen, in die Bedienungsanleitung oder anderes zu erhalten, ist meines Erachtens zweifelhaft. Denn die Beiziehung der Unterlagen dient ja gerade dazu, konkrete Anhaltspunkte gegen die Messung überhaupt zu finden, um diese dann im Gerichtsverfahren vorbringen zu können (vgl. dazu nachfolgend die Entscheidung des AG Jena).

RiAG Dr. Benjamin Krenberger

zfs 2/2016, S. 114

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