[6] "… b) Gegen diese Beurteilung wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde mit Erfolg. Sie beanstandet zu Recht, dass das BG eine vom Kl. vorgetragene alternative Möglichkeit der Unfallverursachung, die ein schuldhaftes Verhalten des Kl. ausschließen oder jedenfalls in günstigerem Licht erscheinen lassen könnte, unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht berücksichtigt hat. Der Kl. hatte … vorgetragen, der Bekl. zu 1) habe seiner Lebensgefährtin unmittelbar nach dem Unfall erklärt, mit einer Geschwindigkeit von 60 bis 65 km/h gefahren zu sein. Die vom Kl. zum Beweis dieser Behauptung benannte Zeugin S. ist zu dieser Frage nicht vernommen worden. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt darüber hinaus zu Recht, dass das BG die Angaben des Sachverständigen in seinem Gutachten … sowie in der mündlichen Verhandlung … nicht berücksichtigt hat, wonach die Geschwindigkeit des Fahrzeugs der Bekl. noch nach der Kollision rund 45 km/h betragen habe bzw. wonach von einer Kollisionsgeschwindigkeit von 45 bis 50 km/h auszugehen sei, obwohl der Bekl. zu 1) vor der Kollision eine Vollbremsung eingeleitet hatte. Diese ihm günstigen Angaben hat sich der Kl. jedenfalls konkludent zu Eigen gemacht (vgl. Senatsurt. v. 8.1.1991, VersR 1991, 467, 468; Senatsbeschl. v. 30.11.2010, VersR 2011, 1158 Rn 9)."

[7] Das BG hat darüber hinaus – wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht geltend macht – den Vortrag des Kl. … nicht berücksichtigt, wonach der Bekl. die örtlichen Verhältnisse bestens kenne, weil er in der Nähe wohne und deshalb gewusst habe, dass sich dort ein Fußgängerüberweg befinde, der zu der Kaserne führe und von Soldaten in der Zeit zwischen 7.00 Uhr und 7.15 Uhr benutzt werde.

[8] 2. Die Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das BG bei der gebotenen Berücksichtigung des Vorbringens des Kl. zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre.

[9] 3. Bei der neuen Verhandlung wird das BG Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren Einwendungen des Kl. auseinanderzusetzen. Es wird dabei insb. zu beachten haben, dass der Ersatzanspruch des Kl., den als Fußgänger im Gegensatz zu den Bekl. keine Gefährdungshaftung trifft, gem. § 9 StVG, § 254 BGB nur dann gekürzt werden darf, wenn feststeht, dass er den Schaden durch sein Verhalten mitverursacht oder mitverschuldet hat. Auf die “bloße Unterstellung der wahrscheinlichsten Parameter‘ (vgl. Zurückweisungsbeschluss S. 3 unter 2. a) kann ein Mitverschulden des Kl. nicht gestützt werden. Erforderlich ist vielmehr eine Überzeugung des Gerichts nach dem Beweismaß des § 286 ZPO. Die Darlegungs- und Beweislast für ein Fehlverhalten des Kl. trifft dabei die Bekl.

[10] Das BG wird auch zu berücksichtigen haben, dass es sich bei dem Schmerzensgeldanspruch und dem Anspruch auf Ersatz materiellen Schadensersatzes um prozessual selbstständige Streitgegenstände handelt (Senat, Beschl. v. 25.4.1989 – VI ZB 13/89, VersR 1989, 818; Urt. v. 22.5.1984, VersR 1984, 782, 783; BGH, Urt. v. 18.3.1959, BGHZ 30, 7, 18; Zöller, ZPO, 30. Auflage, Einleitung Rn 73). Sie unterliegen jeweils für sich genommen dem Verbot der reformatio in peius (vgl. BGH, Urt. v. 12.9.2002, VersR 2003, 509).“

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