StVG § 2 Abs. 15 S. 2; StVO § 23 Abs. 1a

Leitsatz

Ein Fahrlehrer, der als Beifahrer während einer Ausbildungsfahrt einen Fahrschüler begleitet, dessen fortgeschrittener Ausbildungsstand zu einem Eingreifen in der konkreten Situation keinen Anlass gibt, ist nicht Führer des Kfz i.S.d. § 23 Abs. 1a S. 1 StVO.

BGH, Beschl. v. 23.9.2014 – 4 StR 92/14

Sachverhalt

Das AG hat den Betr., einen Fahrlehrer, wegen der vorsätzlichen verbotswidrigen Benutzung eines Mobiltelefons zu der Geldbuße von 40 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen führte der Betr. als Fahrlehrer und Beifahrer mit einer in der Ausbildung fortgeschrittenen Fahrschülerin, die bereits mindestens sechs Fahrstunden absolviert hatte, eine Ausbildungsfahrt durch. Während der Fahrt, beim Einbiegen in eine Straße nach rechts, telefonierte der Betr. mit seinem an das rechte Ohr gehaltenen Mobiltelefon ohne Freisprecheinrichtung. Dabei bestand kein Anlass, der bereits im Fahren geübten Fahrschülerin besondere Aufmerksamkeit zu widmen oder damit zu rechnen, in ihr Fahrverhalten eingreifen zu müssen.

Im Rahmen der Prüfung der Rechtsbeschwerde meinte das OLG Karlsruhe, über die Rechtsbeschwerde des Betr. nicht entscheiden zu können, ohne entweder von der Entscheidung des OLG Düsseldorf v. 4.7.2013 (DAR 2014, 40 = NZV 2014, 328) oder von der Entscheidung des OLG Bamberg v. 24.3.2009 (NJW 2009, 2393 = DAR 2009, 402) abzuweichen. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf werde von der Rechtsauffassung getragen, dass ein Fahrlehrer, der neben einer fortgeschrittenen Fahrschülerin sitze und in der konkreten Situation nicht in das Fahrgeschehen eingreifen müsse, nicht Führer des Kfz i.S.d. § 23 Abs. 1a S. 1 StVO sei. Umgekehrt sei der Entscheidung des OLG Bamberg die tragende Rechtsauffassung zu entnehmen, dass der für die Verkehrsbeobachtung verantwortliche Fahrlehrer wegen seiner Pflicht, den Fahrschüler ständig zu beobachten, um notfalls sofort eingreifen zu können, Führer des Kfz i.S.d. genannten Vorschrift sei.

Das OLG Karlsruhe hat daher die Sache durch Beschl. v. 20.2.2014 (DAR 2014, 211) dem BGH zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:

"Ist ein Fahrlehrer, der als Beifahrer während einer Ausbildungsfahrt neben einem Fahrschüler sitzt, dessen fortgeschrittener Ausbildungsstand zu einem Eingreifen in der konkreten Situation keinen Anlass gibt, Führer des Kfz i.S.d. § 23 Abs. 1a S. 1 StVO?"

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Stellungnahme beantragt, die Vorlegungsfrage zu bejahen.

Die Vorlegungsvoraussetzungen des § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG sind erfüllt.

2 Aus den Gründen:

[9] "… III. Der Senat beantwortet die vorgelegte Rechtsfrage wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich."

[10] 1. Ein Fahrlehrer, der in der konkreten Situation nicht in die Ausbildungsfahrt eingreift, führt nach allgemeinen Kriterien – etwa i.S.d. §§ 315c, 316 StGB – das Kfz nicht.

[11] a) Führer eines Kfz ist, wer es unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrtbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt (BGH, Beschl. v. 27.10.1988 – 4 StR 239/88, BGHSt 35, 390; v. 18.1.1990 – 4 StR 292/89, BGHSt 36, 341). Der Täter muss sich selbst aller oder wenigstens eines Teiles der wesentlichen Einrichtungen des Fahrzeugs bedienen, die für seine Fortbewegung bestimmt sind (BGH, Urt. v. 27.7.1962 – 4 StR 215/62, BGHSt 18, 6; Beschl. v. 27.10.1988 – 4 StR 239/88, BGHSt 35, 390). Daher schließt es die Fahrzeugführereigenschaft zwar nicht aus, wenn mehrere Personen sich die Bedienung der notwendigen Funktionen teilen (in einem solchen Fall können beide als Fahrzeugführer anzusehen sein). Wer dagegen nicht einmal einen Teil der wesentlichen Einrichtungen des Fahrzeugs bedient, führt dieses im maßgeblichen Zeitpunkt nicht.

[12] Daher erfüllt der Fahrlehrer die genannten Voraussetzungen nicht, solange er nicht vom Beifahrersitz aus in die Lenk- oder Antriebsvorgänge eingreift. Dass er sich dabei ein solches Eingreifen im Notfall vorbehält, qualifiziert ihn im Zeitpunkt der hier zu beurteilenden Tathandlung nicht als Fahrzeugführer (BGH, Urt. v. 9.7.1959 – 2 StR 240/59, BGHSt 13, 226; OLG Dresden, NJW 2006, 1013; OLG Düsseldorf, DAR 2014, 40; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 316 StGB Rn 5; König in LKStGB, 12. Aufl., § 315c Rn 41 f.; ders., DAR 2003, 448 und DAR 2014, 363; Schönke/Schröder/SternbergLieben/Hecker, StGB, 29. Aufl., § 316 Rn 20; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 315c Rn 3; MüKoStGB/Pegel, 2. Aufl., § 315c Rn 27; Burmann/Heß/Jahnke/Janker/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., § 316 StGB Rn 2, Mitsch, NZV 2011, 281; Grupp/Kinzig, NStZ 2007, 132; Renzikowski in Matt/Renzikowski, StGB, § 316 Rn 41, Zieschang in NKStGB, 4. Aufl., § 315c Rn 10; Weigel, DAR 2014, 41 f.; Scheidler, DAR 2009, 403; Heinrich, DAR 2009, 402; Joerden, BA 40 [2003], 104; a.A. OLG Bamberg NJW 2009, 2393; AG Cottbus, DAR 2003, 476; SSWStGB...

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