VVG § 169 Abs. 5 § 6 § 61; BGB § 134

Leitsatz

1. Der Abschluss einer Kostenausgleichsvereinbarung im Rahmen eines "Nettopolicenmodells" kann in einer bestimmten Ausgestaltung durch Umgehung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen und daher nichtig sein (§ 134 BGB).

2. Zur Frage der Intransparenz von Kostenausgleichsvereinbarungen im Rahmen eines vom VR angebotenen "Nettopolicenmodells".

3. Im Rahmen der pflichtgemäßen Beratung (§§ 6, 61 VVG) ist der Versicherungsinteressent vor Vertragsschluss ausführlich und nachvollziehbar über die Unterschiede zwischen Brutto- und Nettopolicen und die aus einer Kostenausgleichsvereinbarung folgende Schlechterstellung des VN im Fall eines Frühstornos aufzuklären.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.9.2013 – 12 U 85/13

Sachverhalt

Die Kl., ein Lebensversicherer, verlangt von der Bekl. restliche Zahlung aus einer sog. Kostenausgleichsvereinbarung.

Die Bekl. beantragte am 13.9.2011 bei der Kl. eine fondsgebundene Rentenversicherung und – in einem gesonderten Vordruck – den Abschluss einer "Kostenausgleichsvereinbarung". Der Antrag auf fondsgebundene Rentenversicherung sieht die Zahlung eines monatlichen Beitrags von 200,– EUR vor. Die entsprechende Regelung im Versicherungsantrag enthält folgenden Zusatz:

"In den ersten 60 Monaten wird der Versicherungsbeitrag um die monatliche Teilzahlung der Abschluss- und Einrichtungskosten (siehe Antrag auf Kostenausgleichsvereinbarung) reduziert."

Der "Antrag auf Fondsgebundene Rentenversicherung" enthält zugleich eine formularmäßige Beratungsdokumentation. Zu den darin unter anderem enthaltenen Sätzen: "Ich habe verstanden, dass die Abschluss- und Einrichtungskosten separat vom Versicherungsvertrag getilgt werden. Diese Kosten sind auch im Falle einer Beitragsfreistellung oder Kündigung des Versicherungsvertrags zu bezahlen." ist "nein" angekreuzt. In einem gesondert angefertigten Beratungsprotokoll heißt es zur Produktempfehlung "Prisma Rent" als Begründung "Kostentransparenz, Renditen stark".

Der "Antrag auf Kostenausgleichsvereinbarung" sieht vor, dass die Abschluss- und Einrichtungskosten von zusammen 6.720 EUR in monatlichen Teilzahlungen erbracht werden. Er enthält vor dem Unterschriftsfeld den Hinweis, dass der Ast. bekannt sei, dass sie die "Kostenausgleichsvereinbarung nicht kündigen" könne. Im Abschnitt "Tilgungsplan" enthält der Antrag außerdem den Hinweis, dass die Auflösung des Versicherungsvertrags "grds. nicht zur Beendigung dieser Kostenausgleichsvereinbarung" führe, sondern die Kosten auch im Falle einer Beitragsfreistellung oder Kündigung des Versicherungsvertrags zu bezahlen seien.

Die Bekl. entrichtete zunächst die vereinbarten Raten, stellte dann aber ab dem 30.4.2012 die Zahlungen auf die Kostenausgleichsvereinbarung ein, focht die Verträge an, kündigte und widerrief sie.

2 Aus den Gründen:

" … B. Die Kl. hat keinen Anspruch auf Zahlung der in der Kostenausgleichsvereinbarung benannten Beträge."

1. Der Abschluss der Kostenausgleichsvereinbarung verstößt jedenfalls in der hier gewählten Ausgestaltung durch Umgehung gegen ein gesetzliches Verbot und ist daher nichtig (§ 134 BGB). Ob die Anwendung des “Nettopolicenmodells‘ in Fällen, in denen die “Kostenausgleichsvereinbarung‘ nicht mit einem Versicherungsmakler oder -vermittler, sondern unmittelbar mit dem VR geschlossen wird, gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, wird in Rspr. und Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Jedenfalls für diejenigen Fälle, in denen – wie hier – durch eine Verrechnung der Beiträge auf beide Verträge eine Verknüpfung hergestellt wird, schließt sich der Senat derjenigen Auffassung an, die von der Umgehung eines gesetzlichen Verbots ausgeht.

a) Entscheidungen des BGH oder anderer OLG zu dieser Frage liegen – soweit veröffentlicht – bisher nicht vor; von den Amts- und LG wird die Frage unterschiedlich beurteilt.

aa) Die Entscheidung des BGH vom 20.1.2005 (III ZR 251/04, BGHZ 162, 67) ist nicht einschlägig, da sie sich mit Maklerlohn und nicht mit einer “Kostenausgleichsvereinbarung‘ unmittelbar mit dem VR befasst; auch das Urt. v. 18.10.2012 (NJW 2012, 3718) betrifft einen Versicherungsmakler. In der Frage der Umgehung einer gesetzlichen Vorschrift aber können die für einen Makler geltenden Erwägungen auf eine Kostenausgleichsvereinbarung mit dem VR nicht übertragen werden. Für den Makler stellt es eine typische und auch vom Gesetzgeber grds. gebilligte Handhabung dar, dass dieser seine Provision auch dann verdient und behalten darf, wenn der Hauptvertrag aus von ihm nicht zu vertretenen Gründen aufgehoben wird. Zu einer “Kostenausgleichsvereinbarung‘ unmittelbar zwischen dem VR und dem VN aber hat der BGH bisher nicht entschieden. …

bb) Veröffentlichte obergerichtliche Entscheidungen sind nicht bekannt. …

cc) In der Rspr. der Amts- und Landgerichte ist die Frage der Nichtigkeit umstritten. …

b) Eine Gesetzesumgehung liegt vor, wenn die Gestaltung eines Rechtsgeschäfts objektiv den Zweck hat, den Eintritt einer Rechtsfolge zu verhindern, die das Gesetz für derartige Geschäfte vorsieht; eine Umgehungsabsich...

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