VVG § 100; AHB § 1 Nr. 1; BBR Privathaftpflichtversicherung A I.

Leitsatz

Der Ausschluss des Versicherungsschutzes für Gefahren einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung in den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) für die Privathaftpflichtversicherung setzt ein Verhalten voraus, das auf längere Dauer angelegt ist und so einen von den normalen Gefahren des täglichen Lebens abgrenzbaren Bereich besonderer Gefahrenlagen bildet, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholt eintreten (Fortführung der Senatsurt. v. 17.1.1996 – IV ZR 86/95, VersR 1996, 495 unter II 2 a; v. 25.6.1997 – IV ZR 269/96, BGHZ 136, 142, 146 f.; v. 10.3.2004 – IV ZR 169/03, VersR 2004, 591 unter 3 a).

Allein das Fällen dreier großer Bäume innerhalb eines Tages ist keine solche Beschäftigung.

BGH, Urt. v. 9.11.2011 – IV ZR 115/10

Sachverhalt

Der KI. fordert von seinem Privathaftpflichtversicherer Deckungsschutz wegen eines Vorfalles v. 9.2.2009. Dem Versicherungsvertrag aus dem Jahre 2005 liegen neben AHB "Besondere Bedingungen, Risikobeschreibungen und Zusatzbedingungen … Stand 08/01" (im Folgenden: BBR) zugrunde. Darin heißt es unter A.I.:

"Versichert ist … die gesetzliche Haftpflicht des VN als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens – mit Ausnahme der Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes, Amtes (auch Ehrenamtes), einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art oder einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung, …"

Am 9.2.2009 fällte der KI. auf dem von ihm bewohnten Grundstück seiner Eltern mithilfe einer Motorkettensäge drei circa 20 m hohe Pappeln mit einem Brusthöhendurchmesser von jeweils etwa 60 cm. Während die ersten beiden Bäume wie vom KI. beabsichtigt auf das elterliche Grundstock fielen, stürzte der dritte Baum wider Erwarten auf ein Nachbargrundstück und verursachte dort Sachschäden an einem Gebäudedach, einem Schornstein, einer Satellitenantenne und einer Wäschespinne.

2 Aus den Gründen:

[8] “… Die Bekl. hat dem KI. den begehrten Deckungsschutz zu gewähren.

[9] 1. In der Privathaftpflichtversicherung verspricht der VR dem VN Versicherungsschutz unter anderem für den Fall, dass Letzterer wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses, das die Beschädigung von Sachen zur Folge hat, für diese Folgen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird (vgl. § 1 Nr. 1 AHB; § 100 VVG).

[10] Diese Voraussetzungen sind hier unstreitig erfüllt.

[11] 2. Entgegen der Annahme der Vorinstanzen kann die Bekl. den Versicherungsschutz nicht deshalb verweigern, weil sich die Gefahren einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung i.S.d. Risikoausschlusses aus A. I. BBR verwirklicht hätten.

[12] a) Wie das BG im Ansatz zutreffend erkennt, sind die Voraussetzungen dieser Ausschlussklausel nicht bereits dann erfüllt, wenn sich die die Haftpflicht auslösende Handlung selbst als ungewöhnlich und gefährlich darstellt. Der Leistungsausschluss ist vielmehr auf die seltenen Ausnahmefälle beschränkt, in denen die schadenstiftende Handlung im Rahmen einer allgemeinen Betätigung des Versicherten vorgenommen worden ist, die ihrerseits “ungewöhnlich und gefährlich' ist und deshalb in erhöhtem Maße die Gefahr der Vornahme schadenstiftender Handlungen in sich birgt (Senat VersR 1996, 495 unter II 2 a; BGHZ 136, 142, 146 unter II; VersR 2004, 591 unter 3 a, jeweils m.w.N.).

[13] Das ergibt sich aus der Risikobeschreibung in A. I. BBR. Darin werden die von der Versicherung umfassten Gefahren durch Aufzählung negativer Komponenten des Haftpflichtversicherungsrisikos beschrieben (Senat BGHZ 79, 145, 148 unter I). Der Schutzbereich der Haftpflichtversicherung wird durch die Wendung “als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens', die für sich genommen keine Einschränkung enthält …, zunächst erkennbar weit abgesteckt, sodann aber durch die Ausnahmetatbestände nicht nur erläutert, sondern zugleich begrenzt … Mit den Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes, Amtes und einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen werden bestimmte Gefahrenbereiche vom Versicherungsschutz ausgenommen und so ein Rahmen für nicht versicherte Handlungen definiert. Das dient insb. der Abgrenzung des Schutzbereichs der Privathaftpflichtversicherung zu anderen Haftpflichtversicherungen und soll erläutern, für welche Lebensbereiche es nicht mehr gerechtfertigt ist, den VN als von der Privathaftpflichtversicherung geschützte “Privatperson' anzusehen. Gleiches gilt für den Ausschlussgrund der ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung. Griffe die Ausschlussklausel hingegen schon dann ein, wenn die den Haftpflichtanspruch auslösende Handlung selbst ungewöhnlich und gefährlich ist, wäre der grds. auch grob fahrlässige Schadenverursachung abdeckende Versicherungsschutz zumindest teilweise wertlos (Senat VersR 1996, 495).

[14] b) Anders als das BG meint, stellen die Baumfällarbeiten des KI. v. 9.2.2009 keine ungewöhnliche und gefährlich...

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