VGB 62 § 9 § 15 § 18; VHB 74 § 13 Abs. 1d § 16 Abs. 2

Leitsatz

1. Beauftragt eine in einem Pflegeheim untergebrachte Person einen Angehörigen, in ihrem bisherigen Anwesen nach dem Rechten zu sehen, und hat sie ihm Vorsorgevollmacht erteilt, so ist der Angehörige ihr Repräsentant.

2. Gibt der Repräsentant auf Frage eines Schadenregulierers wider besseres Wissen an, zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls sei das Anwesen bewohnt gewesen, der VN habe sich nur ein paar Tage bei ihm aufgehalten, so liegt eine versuchte arglistige Täuschung vor.

OLG Saarbrücken, Urt. v. 13.1.2010 – 5 U 127/09 (rk nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch BGH, Beschl. v. 12.10.2011 – IV ZR 25/10)

Sachverhalt

Die Parteien streiten darum, ob die Bekl. verpflichtet ist, wegen eines Leitungswasserschadens Ende 2007/Anfang 2008 Versicherungsleistungen zu erbringen.

Die Mutter des KI. hatte bei der Bekl. für das Objekt B. eine Wohngebäude- und eine Hausratsversicherung unterhalten.

Mit schriftlicher Schadensanzeige vom 2.1.2008 zeigte der KI. für die VN, die damals bereits über 80 Jahre alt war und an Altersdemenz litt, einen Leitungswasserschaden an. Ihm war am 20.6.2003 eine Vorsorgevollmacht erteilt worden.

Die Schadensreguliererin der Bekl., die Zeugin M. besichtigte am 23.1.2008 das Gebäude gemeinsam mit dem KI. Sie stellte eine durch Frost verursachte LeckagesteIle im Badezimmer und in der Küche des ersten Obergeschosses fest. Im Badezimmer war die Badewannenarmatur abgeplatzt, in der Küche das Eckventil sowie zwei Heizkörper. Dort war Leitungswasser ausgetreten. Zum Zeitpunkt der Besichtigung stand die Wohnung im Obergeschoss leer, die Erdgeschosswohnung der VN war noch möbliert.

Die Bekl. ist der Ansicht gewesen, schon wegen des unterlassenen Entleerens der Leitungen gem. § 9 Abs. 2b) VGB 62 leistungsfrei zu sein. Sie hat behauptet, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Schaden in einer benutzten und beheizten Wohnung nicht eingetreten wäre. Außerdem hat sie dem KI~ als Wissenserklärungsvertreter der VN vorgeworfen, durch unzutreffende Angaben Aufklärungsobliegenheiten verletzt zu haben (§ 15 VGB 62, § 13 Nr. 1b VHB 74, BI. 23, 127 d. A). Er habe bei der Besichtigung am 23.1.2008 – nach Belehrung über die Rechtsfolgen bewusst unwahrer oder unvollständiger Angaben – gegenüber der Zeugin M. und später auch gegenüber dem Sachverständigen L. zu verstehen gegeben, die Mutter sei bloß vorübergehend für ein bis zwei Tage abwesend gewesen.

2 Aus den Gründen:

“… Ansprüche bestehen weder aus einer Gebäudeversicherung noch aus einer Hausratversicherung. …

a. Gebäudeversicherung. …

(b) Ebenso wenig steht fest, dass die Bekl. wegen Verletzung der Obliegenheit der §§ 9 Abs. 2b) VGB 62 i.V.m. 6 Abs. 1 VVG a.F. von ihrer Leistungspflicht befreit ist.

Ein objektiver Verstoß ist anzunehmen. Der Kl. bestreitet nicht, dass die Wasserleitungsanlagen nicht abgesperrt und entleert worden waren.

Das Gebäude war auch nicht benutzt i.S.d. § 9 Abs. 2b) VGB 62. Von einem nicht genutzten Gebäude muss nämlich dann gesprochen werden, wenn seine Funktionen – bei einem Wohngebäude also das Wohnen – nicht mehr in Anspruch genommen wurden. Die gelegentliche oder regelmäßige Kontrolle eines Wohnhauses “nutzt' es nicht sondern überwacht es.

Unstreitig wohnte die VN selbst bereits seit zwei Jahren nicht mehr dort. Ihr zweiter Sohn verließ das Haus zehn Monate später. Daher war das versicherte Anwesen unbenutzt (vgl. Spielmann, VersR 2006, 317) …

Die Verletzung des § 9 Abs. 1 S. 2 VGB 62 führt nach § 9 Abs. 1 S. 2 VGB 62 aber nur dann zur Leistungsfreiheit, wenn dem VN oder seinem Repräsentanten grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorzuwerfen ist, was – abweichend von § 61 Abs. 1 S. 1 VVG a.F. – der VR darzulegen und zu beweisen hat (vgl. OLG Hamm, zfs 1989, 213; OLG Düsseldorf, zfs 2001, 553). Da die VN selbst offenbar nicht mehr in der Lage gewesen ist, sich persönlich um die ihr Anwesen betreffenden (Versicherungs-)Angelegenheiten zu kümmern, ist auf den KI. als ihren Repräsentanten abzustellen.

Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des VN getreten ist (BGH, VersR 1989, 737). Hier hat der KI. sowohl faktisch als auch rechtlich die Aufgaben seiner Mutter als VN wahrgenommen.

Wie er selbst vorgetragen hat, hat er seit deren Aufenthalt im Pflegeheim regelmäßig im Haus nach dem Rechten gesehen. Die VN war zum Zeitpunkt des Schadenseintritts demenzbedingt nicht mehr geschäftsfähig und der Kl. aufgrund ihm im Jahr 2003 erteilten Vorsorgevollmacht berechtigt, in sämtlichen Rechtsangelegenheiten “in jeder denkbaren Richtung' für sie aufzutreten. Vor dem Hintergrund des Zurücktretens der Einwirkungsmöglichkeiten der VN und dem gleichzeitig dem KI. übertragenen Umgang mit dem Versicherungsobjekt wurde also diesem die Verantwortung für das versicherte Risiko vollständig übertragen (vgl. BGH, VersR 1994, 45). Damit ist er Repräsentant der VN.

Ob der Kl. grob fahrlässig gehandelt hat, ist jedoch nicht...

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