"… Dem Kl. stehen gegen die Bekl. Schadensersatzansprüche nicht zu. Die Bekl. war nicht verpflichtet, dem Kl. das Gutachten unaufgefordert zur Verfügung stellen. Auch wenn die Bekl. später dem Kl. das Gutachten auf seine Aufforderung vom 26.2.2018 zur Verfügung hätte stellen müssen, ist ein kausaler Schaden nicht dargetan."

1. Der Kl. hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 280 BGB, weil die Bekl. ihm das eingeholte Schadensgutachten nicht unaufgefordert übersandt hat. Es mangelt an der schuldhaften Verletzung einer auf die unaufgeforderte Herausgabe des von der Bekl. eingeholten Schadensgutachtens gerichteten Leistungs-, sonstigen Treue- oder gesetzlichen Vorlagepflicht. Mangels Bestehens einer solchen Pflicht kommt auch keine Schadensersatzpflicht unter Verzugsgesichtspunkten in Betracht.

a. Das LG hat zutreffend eine versicherungsvertragliche Pflicht der Bekl. zur unaufgeforderten Herausgabe des im Zusammenhang mit der Schadensregulierung eingeholten Gutachtens verneint.

Aus dem Versicherungsvertragsverhältnis steht dem Kl. weder ein normierter Anspruch auf Herausgabe des Gutachtens zu, noch kann er dies im Rahmen etwaiger Nebenleistungspflichten verlangen, da eine Einstandspflicht der Bekl. bereits dem Grunde nach für den von dem Kl. verursachten Verkehrsunfall wegen dessen Alkoholisierung nicht in Betracht kommt und der Kl. daher die Angaben in dem gleichwohl eingeholten Schadensgutachten nicht benötigt, um seinen Anspruch gegen die Bekl. beziffern zu können. Die Schadensermittlung durch den VR stellt in der Regel eine ausreichende Verhandlungsgrundlage für die Schadensregulierung dar und macht meist eigene Aufwendungen des VN zur Schadensermittlung überflüssig. Aber nur wenn der VN in dieser Weise auf die Schadensermittlung des VR angewiesen ist, muss dieser, damit seinerseits Waffengleichheit herrscht, auch Einsicht in das Ergebnis des Sachverständigen erhalten (OLG Karlsruhe, NJOZ 2005, 2878, 2879; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1999, 759 …). Dass die Bekl. gleichwohl ein Gutachten eingeholt hat, nachdem der Kl. den Unfall zwar gemeldet, aber noch nicht seine Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt mitgeteilt hatte, ändert daran nichts.

b. Die Bekl. war ferner nicht verpflichtet, das mangels anfänglicher Unkenntnis von der Alkoholisierung des Kl. zum Zeitpunkt des Unfalls eingeholte Schadensgutachten aufgrund einer leistungsunabhängigen Rücksichtspflicht i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB oder einer leistungsbezogenen Treuepflicht aus § 242 BGB unaufgefordert an den Kl. herauszugeben (…).

Ein Schuldverhältnis kann gem. § 241 Abs. 2 BGB jeden Teil zur Rücksicht auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Unter den umfassenden Begriff der “Rücksicht' fallen alle leistungsunabhängigen Nebenpflichten (…). Es braucht nicht entschieden zu werden, ob die Bekl., wenn sie von der beabsichtigten Rückabwicklung des Leasingvertrags bereits vor dem 19.2.2018, dem Tag, bis zu dem der im Schadensgutachten angegebene Zeuge W. den beschädigten V zu einem Betrag von 26.560 EUR angekauft hätte, erfahren hätte, aus Gründen der Rücksichtnahme verpflichtet gewesen sein könnte, das ihr ausweislich des Tatbestands des Urteils des LG am 30.1.2018 vorliegende Gutachten dem Kl. zur Verfügung zu stellen. Unstreitig erfuhr die Bekl. erst am 26.2.2018 durch das Schreiben der Klägervertreter von der Absicht des Kl., den Leasingvertrag abzuwickeln. Die Pflicht, die Rechtsgüter der anderen Vertragspartei zu schützen, setzt voraus, dass dem Vertragspartner die schützenswerte Rechtsposition bekannt ist bzw. hätte bekannt sein müssen. Dies ist vorliegend nicht der Fall und ergibt sich auch nicht aus der Mitteilung der Leasinggesellschaft vom 10.1.2018 ungeachtet der Frage, ob die die Leasinggesellschaft überhaupt Erklärungen für den Kl. hat abgeben dürfen. Mitte Januar stand nicht fest, ob es sich um einen Reparatur- oder Totalschaden handelte. Ob sich der Kl. im Hinblick auf den erst später festgestellten wirtschaftlichen Totalschaden für eine vorzeitige Abwicklung des Leasingverhältnisses entscheiden würde, konnte die Bekl. nicht beurteilen. Eine Nebenpflicht, ein eingeholtes Schadensgutachten ungefragt an den VN – nicht an die Leasinggeberin (…) – zu übersenden, besteht jedenfalls nicht, wenn dem VR ein besonderes Interesse des VN an der Kenntniserlangung nicht bekannt ist. Ein solches Interesse ergab sich insb. auch nicht aus der Höhe des Ankaufsangebots. Es ist nicht ersichtlich und erst recht nicht vorgetragen, dass dieses Angebot bereits im Februar 2018 als besonders günstig für den Kl. erscheinen musste. Erst im Juni 2018 hat sich herausgestellt, dass über die Ankaufsbörsen lediglich ein demgegenüber geringerer Verkaufserlös erzielt werden konnte.

Nichts Anderes gilt in Bezug auf die auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützten Pflichten der Vertragsparteien zur gegenseitigen Unterstützung und zur Mitwirkung bei der Erreichung der Ziele der anderen Partei (…).

c. Die Bekl. war auch vor Ablauf der Bindungsfrist des An...

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