"… 1. Richtig ist zwar, dass bei dem im streitgegenständlichen Fahrzeug eingebauten Motor EA 189 ursprünglich eine Software verwendet wurde, die eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt und die im Hinblick auf das Verhalten der Bekl. im Übrigen auch zu Ansprüchen aus Herstellerhaftung, insbesondere solchen nach § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB (analog), führen kann (vgl. BGH, Urt. v. 30.7.2020 – VI ZR 367/19, juris und v. 25.5.2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962; Saarl. OLG, Urt. v. 14.2.2020 – 2 U 128/19, juris). Die Bekl. kann einem entsprechenden deliktischen Anspruch des Kl. aber jedenfalls mit Erfolg die Einrede der Verjährung entgegenhalten (§ 214 Abs. 1 BGB)."

2. Die 3-jährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) begann im Streitfall vor dem 1.1.2016 zu laufen.

a) Wird der Geschädigte – wie hier – aufgrund einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zum Abschluss eines Vertrages gebracht, den er ohne die Handlung des Schädigers nicht abgeschlossen hätte und war die Leistung für die Zwecke des Geschädigten nicht voll brauchbar, entsteht der Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (BGH, st. Rspr.; vgl. Urt. v. 25.5.2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 und v. 28.10.2014 – VI ZR 15/14, VersR 2015, 75 m.w.N.). Danach war der Anspruch aus § 826 BGB hier bereits mit Abschluss des Kaufvertrages im Jahr 2013 entstanden.

b) Zwar liegt es nahe, dass die Frist zur Verjährung dieses Anspruchs hier nicht bereits mit seiner Entstehung, mithin im Jahr 2013, zu laufen begonnen hat. Denn die gegenüber der Bekl. erhobenen Manipulationsvorwürfe haben sich – unstreitig – erst im Jahr 2015 verdichtet, so dass auf Seiten des Kl. bis zu diesem Zeitpunkt weder von einer Kenntnis noch einer grob fahrlässigen Unkenntnis über die anspruchsbegründenden Umstände ausgegangen werden kann. Hierauf kommt es indes ebenso wenig an wie auf die Frage, wann der Kl. im Streitfall positive Kenntnis i.S.d. § 199 Abs. 1 BGB erlangt hat. Denn der Kl. muss sich so behandeln lassen, als hätte er bis zum 31.12.2015 entsprechende Kenntnis gehabt. Die etwaige Unkenntnis des Kl. beruht nämlich auf grober Fahrlässigkeit, weil ihm sowohl die Umstände, die einen Ersatzanspruch begründen, als auch die Umstände, aus denen sich ergibt, dass die Bekl. als möglicher Haftungsschuldner in Betracht kommt, jedenfalls infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sind.

aa) Unstreitig hat die Bekl. am 22.9.2015 eine sogenannte Ad-hoc-Mitteilung und eine Pressemitteilung veröffentlicht. Hieran anschließend entwickelte sich noch im September 2015 – gerichtsbekannt und auch durch die in diesem Prozess vorgelegten umfangreichen Nachweise belegt – eine sämtliche Medien beherrschende Diskussion über den Einsatz manipulierter Dieselmotoren durch die Bekl. in deren Konzern, über die Betroffenheit deutscher Verbraucher und über die Verantwortung maßgeblicher Vertreter der Bekl. Anfang Oktober 2015 informierten die Bekl. und die Skoda Auto Deutschland GmbH jeweils im Rahmen einer Pressemitteilung über die Einrichtung von Internetseiten, die eine Suche nach von der Manipulation betroffenen Fahrzeugen der Bekl. unter Eingabe der entsprechenden Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) ermöglichten. Über die Freischaltung der Webseiten wurde wiederum in allen Medien berichtet, wie sich nicht zuletzt aus den von der Bekl. in Bezug genommenen Publikationen ergibt. Auch über die Maßnahmen des KBA wurde gerichtsbekannt in Presse, Funk und Fernsehen wiederholt und umfangreich berichtet (vgl. zur Berichterstattung in den Medien jetzt auch BGH, Urt. v. 30.7.2020 – VI ZR 5/20, juris). Schließlich wurde in den Medien gerichtsbekannt sogar über einen von der Bekl. erklärten Verjährungsverzicht bis zum 31.12.2016 und die Bekl. erklärte sodann durch öffentliche Mitteilung vom 16.12.2015 (abrufbar über https://www.volkswagenag.com/de/news/2015/12/umsetzung.html) ohne Einschränkung auf die Art der Ansprüche einen Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede bis zum 31.12.2017 im Hinblick auf etwaige Ansprüche, die “im Zusammenhang mit der in Fahrzeugen mit Motortyp EA 189 eingebauten Software bestehen'.

Hiervon ausgehend waren bereits im letzten Quartal des Jahres 2015 alle Umstände in der Öffentlichkeit bekannt geworden, die dem Kl. die notwendige Kenntnis im Hinblick auf die anspruchsbegründenden Umstände des § 826 BGB vermitteln konnten. Soweit der Kl. sich trotz der sich insoweit regelrecht aufdrängenden Umstände nicht weiter Informiert hat, fällt ihm – wie die Kammer bereits entschieden hat – grob fahrlässige Unkenntnis zur Last (Kammer, Urt. v. 13.12.2019 – 12 O 56/19, juris und für ein Fahrzeug wie hier Urt. v. 13.12.2019 – 12 O 117/19; ebenso jetzt OLG Koblenz, Urt. v. 30.6.2020 – 3 U 1785/19, juris; OLG Stuttgart, Urt. v. 7.4.2020 – 10 U 455/19, juris und v. 14.4.2020 – 10 U 466/19, juris; OLG Köln, Beschl. v. 4.3.2020 – 26 U 73/19, juris; OLG München, MDR 2020, 348 und Beschl. v. 5.2.2020 – 3 U 7392/19, juris und vom 2.6.2020 – 3 U 7229/19, juris).

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