Die Entscheidung des BGH ist m.E. nicht zutreffend. Der BGH geht für die gebührenrechtliche Einordnung der vorprozessualen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Kl. zwar von den zutreffenden Prämissen aus, er wendet sie jedoch auf die Umstände des Falles nicht richtig an.

Gebührenrechtliche Ausgangslage

Zunächst ist in Übereinstimmung mit dem BGH festzuhalten, dass es für die entscheidungserhebliche Frage, ob dem Prozessbevollmächtigten der Kl. für die vorprozessuale Tätigkeit die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG angefallen ist, nicht auf die Anwaltstätigkeit ankommt. Die nach außen hin erkennbare Tätigkeit des Rechtsanwalts, hier also die vorprozessuale Zahlungsaufforderung, lässt nämlich nicht darauf schließen, ob dem Anwalt ein Vertretungsauftrag erteilt worden ist, was zum Anfall der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG führt, oder ob der Rechtsanwalt diese Tätigkeit im Rahmen des ihm bereits erteilten (unbedingten) Klageauftrags ausgeübt hat. Im letzteren Fall würde die Zahlungsaufforderung eine zum Rechtszug gehörende Vorbereitungshandlung nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RVG darstellen und mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 bzw. Nr. 3101 VV RVG abgegolten sein.

Allein der Auftrag ist maßgeblich

Wie diese in beiden Fällen nach außen hin identische Tätigkeit des Rechtsanwalts – nämlich die vorprozessuale Zahlungsaufforderung – gebührenrechtlich einzuordnen ist, richtet sich – worauf der BGH zutreffend hingewiesen hat – nach dem dem Anwalt im konkreten Fall erteilten Auftrag. Macht der Kl. für die vorprozessuale Zahlungsaufforderung seines (späteren) Prozessbevollmächtigten eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG geltend, so hat er in dem Rechtsstreit darzulegen und im Streitfall zu beweisen, dass er seinem Anwalt einen Auftrag zur vorgerichtlichen Vertretung erteilt hat.

Vollmacht ist demgegenüber nicht entscheidend

Bei der Würdigung des Klagevorbringens ist dem OLG Celle und dem folgend leider auch dem BGH der Fehler unterlaufen, entscheidend auf die auch die "Prozessführung" umfassende Vollmacht vom 7.4.2014 abzustellen. Der Inhalt der Vollmacht ist allenfalls ein Indiz dafür, dass dieser auch entsprechende Aufträge zugrunde liegen. Dieses Indiz wird durch entsprechenden Sachvortrag der Kl. erschüttert. Die Kl. hat hier nämlich – wenn auch erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem BG – vorgetragen, sie habe das Mandat ausdrücklich zunächst auf die außergerichtliche Tätigkeit beschränkt.

Soweit das OLG Celle und dem folgend der BGH darin einen Widerspruch zu der vorgelegten Vollmacht vom 7.4.2014 sehen, übersehen beide Gerichte, dass es auf den Inhalt der Vollmacht nicht entscheidend ankommt. Vielmehr entspricht es der Rechtswirklichkeit, dass sich der Anwalt von vornherein eine umfassende Prozessvollmacht erteilen lässt, wenn auch nur die Möglichkeit in Betracht kommt, dass ein gerichtliches Verfahren betrieben werden muss. Rückschlüsse auf den der anwaltlichen Tätigkeit zugrunde liegenden Auftrag lässt die Prozessvollmacht nur insoweit zu, als der Auftrag regelmäßig nicht umfassender ist, als die Prozessvollmacht ausweist. Demgegenüber ist es fast der Regelfall, dass der dem Rechtsanwalt jedenfalls zunächst erteilte Auftrag den Umfang der Vollmacht nicht erschöpft.

Deshalb steht die Behauptung der Kl., sie habe das Mandat ausdrücklich zunächst auf die außergerichtliche Tätigkeit beschränkt, nicht im Widerspruch zu der vorgelegten Vollmacht. Denn der Umfang der Prozessvollmacht und der Inhalt des erteilten Auftrags sind "zwei unterschiedliche Paare Schuhe", die der BGH in Abweichung seiner eigenen Rechtsprechung hier zu einem einzigen Paar zusammengebastelt hat. Für die entscheidungserhebliche Frage kam es nämlich allein auf den – nach dem Vorbringen der Kl. zunächst auf die außergerichtliche Tätigkeit beschränkten – Auftrag an. Das OLG Celle hätte deshalb von diesem Vortrag ausgehen müssen, sofern die Bekl. ihn nicht bestritten hatte. Anderenfalls hätte das BG ggf. hierüber Beweis erheben müssen, wenn die vorgerichtlichen Anwaltskosten überhaupt dem Grunde nach erstattungsfähig sind.

Würdigung des unbedingten Klageauftrags

Zu Unrecht sieht der BGH auch die Würdigung des OLG Celle als rechtsfehlerfrei an, der "Unbedingte Klageauftrag" vom 6.12.2014 sei "überobligatorisch" gewesen und habe allein das – unbeachtliche – Innenverhältnis zwischen der Kl. und ihrem Prozessbevollmächtigten betroffen. Das Gegenteil ist richtig. Wie der BGH in seinem Urteil nur eine Seite vorher ausführt, kommt es für die Berechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG allein auf den dem Rechtsanwalt im Einzelfall erteilten Auftrag an, also allein auf das Innenverhältnis zwischen der Mandantin und ihrem Anwalt.

Die Verfahrensweise der Kl. hier war also durchaus üblich. Zunächst erteilt der Mandant seinem Rechtsanwalt eine Vollmacht, die diesen unter anderem zur außergerichtlichen Vertretung, aber auch zur Prozessführung und zur Entgegennahme von Geldern ermächtigt. Im Innenverhältnis wird der Auftrag häufig zunächst au...

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