1) Nach der Feststellung von Lepa war im Jahre 2001 die Feststellungsklage in Haftpflichtprozessen ein "fast ständiger Begleiter, der nicht von allen Tatrichtern gern gesehen" (Lepa, VersR 2001, 266) wird, während der BGH einen weiten Anwendungsbereich bejaht. Die Ablehnung der Feststellungsklage in Verkehrsunfallsachen wird häufig darauf gestützt, dass die geleisteten Zahlungen an den Geschädigten zur vollständigen Erfüllung seiner Ansprüche geführt haben, der Eintritt weiterer, auf das Unfallereignis zurückzuführender Schäden ausgeschlossen oder jedenfalls so unwahrscheinlich sei, dass hierauf keine Feststellung gegründet werden könne. Ausschluss und/oder Unwahrscheinlichkeit von Spätfolgen wird unter Beweis gestellt, womit die Hoffnung auf Zurückweisung des Feststellungsbegehrens verbunden wird. Das Feststellungsinteresse für eine Klage nach § 256 ZPO setzt voraus, dass dem Recht oder der Rechtslage des Kl. eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht, für den Kl. ein Bedürfnis nach Klärung besteht und das Feststellungsurteil geeignet ist, die Unsicherheit und Gefährdung zu beseitigen (vgl. BGH NJW 1999, 432 f.; BGH NJW 1992, 437; OLG Hamm VersR 1994, 193).

2) Ein Feststellungsurteil, das die Verpflichtung des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherung zum Ersatz künftiger, auf das Unfallereignis zurückzuführender Schadensfolgen ausgesprochen hat, erfasst einen Zeitraum von 30 Jahren (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB; zum Beginn des Laufs dieser Frist vgl. § 201 BGB). Sollte innerhalb dieser Frist ein auf das Unfallereignis zurückzuführender Schaden eintreten, hat die präjudizielle Wirkung des Festellungsurteils in dem Schadensersatzprozess wegen des Spätschadens die Folge, dass die Eintrittspflicht der in Anspruch Genommenen weitgehend feststeht. Aus der Sicht des Geschädigten bietet die Feststellungsklage damit einen sicheren Schutz gegen die Verjährungseinrede gegenüber Schadensersatzansprüchen aus Spätschäden. Die in der Instanzrechtsprechung gegen diese Möglichkeit der Sicherung des Geschädigten vor dem Verjährungsrisiko angeführten Bedenken hat der BGH verworfen. Das gilt zunächst für die Erwägung, dass der Geschädigte in seinem Feststellungsantrag nicht dargelegt habe, mit welchen auf das Unfallereignis zurückzuführenden Beeinträchtigungen zu rechnen sei. Diese auf eine Überforderung des Geschädigten zielende Verschärfung seiner Darlegungslast hat der BGH abgelehnt (vgl. BGH VersR 1989, 1055, 1056; BGH VersR 1972, 459, 460. Spätschäden zeichnen sich dadurch aus, dass sowohl ihr Eintritt als auch ihre Gestaltung ungewiss sind.

Auch der weitere Versuch einer Ablehnung des Feststellungsinteresses unter Heranziehung der Begründung, der Geschädigte müsse die Wahrscheinlickeit des Eintritts eines künftigen Schadens belegen, läuft auf eine Überforderung des Geschädigten hinaus. Nicht nur werden ihm zur Erfüllung seiner Darlegungslast (§ 138 ZPO) zu Unrecht hellseherische Fähigkeiten abverlangt, sondern auch die Darlegungslast des Geschädigten ansonsten missverstanden. Feststellungsinteresse und materieller Feststellungsanspruch sind nur dann zu verneinen, wenn aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten kein Grund bestehen kann, mit Spätschäden zu rechnen (vgl. BGH VersR 1989, 1055). Diese negative Fassung der "Ausschlussklausel" macht deutlich, dass aus sachverständiger Sicht hergeleitete Bedenken gegen die Möglichkeit oder auch nur Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführender Schäden ohne Bedeutung sind. Ist auf die maßgebliche Sicht des Geschädigten abzustellen, bildet seine Lebenserfahrung den Maßstab für die Feststellung, ob er den künftigen Eintritt von Spätschäden ausschloss (vgl. auch BGH VersR 1973, 371, 372; OLG Saarbrücken OLGR 2000, 452, 453). Die Rechtsprechung hat Fallgruppen für die Untersuchung des materiellen Feststellungsanspruchs gebildet, in denen die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Spätschadens positiv festgestellt werden kann. Neben schwerwiegenden Unfallverletzungen werden Knochenverletzungen mit der Gefahr von Arthrose-Erscheinungen angeführt (vgl. BGH VersR 1973, 371; KG VRS 111, 16, 28). Diese Fallbildung übernimmt die Entscheidung. Was für die Beurteilung der Begründetheit des Feststellungsbegehrens gilt, gilt erst recht für die Bewertung des Feststellungsinteresses. In den für eine Wahrscheinlichkeit künftiger Schäden sprechenden Primärschäden liegt ein prozessuales Feststellungsinteresse vor.

Die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Schadensentstehung, wenn nach der Lebenserfahrung der Schaden in Zukunft mit einiger Sicherheit erwartet werden kann, ist Teil der materiellen Klagebegründung (vgl. BGH NJW 2001, 73; BGH NJW-RR 2002, 834; OLG Oldenburg NJW-RR 1996, 405).

3) Wie eng das prozessual verstandene Feststellungsinteresse und der materielle Feststellungsanspruch auch ansonsten miteinander verknüpft sind, zeigt die Konstellation der unbegründeten Feststellungsklage. Hier wird durch Sachurteil die Klage abgewiesen (vgl. BGH NJW 2008, 69). Das Feststellungsintere...

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