"… [8] Die zulässige Revision des Bekl. ist nicht begründet. Das angefochtene Berufungsurteil verletzt kein Bundesrecht und steht im Einklang mit den Vorgaben des Rechts der EU (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Kl. hat Anspruch darauf, dass der Bekl. seinen lettischen Führerschein in ein deutsches Führerscheindokument umtauscht. Die Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch ein deutsches Strafgericht im Jahr 2002 steht dem nicht entgegen, weil der Kl. nach Ablauf der damals angeordneten Sperrfrist in einem anderen Mitgliedstaat einen Führerschein erhielt, dessen ordnungsgemäße Ausstellung nach den unionsrechtlichen Vorgaben eine Prüfung der Fahreignung voraussetzt (I.). Die nach deutschem Recht geltende Befristung einer Fahrerlaubnis der Klasse C auf längstens fünf Jahre ist auf die EU-Fahrerlaubnis des Klägers nicht anwendbar. Die in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG eröffnete Möglichkeit, die in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG festgelegte Gültigkeitsdauer von Führerscheinen auch auf alte, mit längerer Gültigkeit ausgestellte EU-Führerscheine im Wege der Erneuerung anzuwenden, ist im deutschen Fahrerlaubnisrecht nicht unionsrechtskonform umgesetzt worden. Die im Führerschein des Ausstellungsmitgliedstaats angegebene Geltungsdauer muss von den deutschen Behörden daher anerkannt werden (II.). Damit sind auch die Feststellung der fehlenden Inlandsfahrberechtigung aus dem lettischen Führerschein und die Vorlageverpflichtung zur Eintragung eines Sperrvermerks aufzuheben (III.)."

[9] I. Der Kl. kann die Ausstellung eines deutschen Führerscheins verlangen. Die dem Anspruch entgegenstehende Aberkennung seiner Inlandsfahrberechtigung wurde durch die nachfolgende Erteilung einer Fahrerlaubnis in seinem Wohnsitzmitgliedstaat behoben (1.). Die ordnungsgemäße Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse C enthält auch die Bestätigung der Fahreignung für die Klassen A und B (2.). Eine rechtliche Grundlage für die dem Kl. auferlegte Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens bestand damit nicht (3.).

[10] 1. Nach Art. 11 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über den Führerschein (ABl L 403, S. 18) kann der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Führerscheins, der seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet, auf Antrag seinen Führerschein in einen gleichwertigen Führerschein des Aufnahmemitgliedstaates umtauschen (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.7.2018 – 3 C 9.17 [ECLI:DE:BVerwG:2018:050718U3C9.17.0 Rn 40). Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 30 Abs. 1 S. 1 FeV vom 13.12.2010 (BGBl I, S. 1980) in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden Fassung vom 3.5.2018 (BGBl I, S. 566) setzt die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis voraus, dass der Antragsteller Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis ist, die zum Führen von Kfz im Inland berechtigt oder berechtigt hat.

[11] a) Unter welchen Voraussetzungen dies anzunehmen ist, ergibt sich im vorliegenden Fall des Wohnsitzwechsels aus § 28 FeV. Danach dürfen die Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, im Umfang ihrer Berechtigung Kfz im Inland führen, sofern keiner der in § 28 Abs. 4 FeV normierten Ausnahmetatbestände vorliegt.

[12] Gem. § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FeV gilt die Berechtigung nicht für Inhaber, denen die EU-Fahrerlaubnis im Inland rechtskräftig von einem Gericht entzogen worden ist. Diese Voraussetzung wäre dem Wortlaut nach beim Kl. erfüllt, weil ihm das AG Münster durch rechtskräftigen Strafbefehl die Fahrerlaubnis entzog. Durch die fehlende Inlandsfahrberechtigung für die Klasse B bestünde nach § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 9 i.V.m. § 9 Abs. 1 FeV zugleich ein Anerkennungsausschluss für die später erworbene Fahrerlaubnis der Klasse C.

[13] b) Der Ausschlussgrund des § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FeV findet aufgrund des Anwendungsvorrangs der Anerkennungspflicht aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG aber keine Anwendung, wenn dem Betroffenen nach Ablauf der in Deutschland angeordneten Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis durch einen anderen Mitgliedstaat ein Führerschein ausgestellt worden ist, der nach den Vorgaben der Richtlinie 2006/126/EG die Prüfung der Fahreignung voraussetzt (BVerwG, Urt. v. 13.2.2014 – , zfs 2014, 296 = BVerwGE 149, 74 Rn 22 und v. 5.7.2018 – 3 C 9.17 , Rn 53).

[14] In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass ein Führerschein, der nach Ablauf der im Inland rechtskräftig festgesetzten Sperrfrist in einem anderen Mitgliedstaat unter Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses erteilt worden ist, anerkannt werden muss. Auch wenn ein Mitgliedstaat die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach dem Entzug einer früheren Fahrerlaubnis nach seinen nationalen Vorschriften von strengeren Vorgaben abhängig macht, muss er die von einem anderen Mitgliedstaat nach Ablauf der Sperrfri...

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